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Neonregen (Detective Dave Robicheaux) (German Edition)

Neonregen (Detective Dave Robicheaux) (German Edition)

Titel: Neonregen (Detective Dave Robicheaux) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Lee Burke
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gesagt hat«, sagte Starkweather zu mir. »Zeit, an die Arbeit zu gehen, unsere Brötchen verdienen. Es gibt viel zu tun, fang du schon mal an, Lieutenant. Auf Wiedersehen, alter Stinker.«
    Die beiden öffneten mir gewaltsam den Mund und schoben mir den Gummitrichter zwischen die Zähne bis in die Kehle. Ich würgte und hustete, das Wasser trat mir in die Augen, und ich fühlte, wie sich mein Brustkorb unter ihren Händen verkrampfte. Dann hielten sie mir die Nase zu und gossen mir die Mischung aus Bier, Rizinusöl, Whiskey und Quaaludes in den Rachen. Der plötzliche scharfe Geschmack des Alkohols nach meiner vierjährigen Abstinenz wirkte auf meine Eingeweide wie ein gewaltiger Donnerschlag. Mein Magen war völlig leer, und so lief mir das Zeug wie Feuer durch den Bauch, stieg mir in Hoden und Phallus, knallte mir ins Hirn und füllte mein Herz mit den ranzigen Ursäften eines zu Tode verwundeten Wikingers.
    In meinem Kopf ging plötzlich das Licht aus, und ein paar Augenblicke später war ich wieder gefangen in meiner Säuferwelt – Kneipen, die die ganze Nacht geöffnet hatten, Taxifahrer, die mich im Licht der ersten Morgendämmerung durch meine Wohnungstür schleppten, das Delirium tremens, das mich in Schweiß badete und mein Hausboot mit Spinnen und toten Vietnamesenerfüllte. Ich hörte in meinem Kopf Bierflaschen zerbrechen, ich sah, wie ich durch die Hintertür einer Pennerkneipe auf die Straße geworfen wurde, ich sah die Verachtung im Gesicht des Rausschmeißers, als er mich in mein Auto verfrachtete und mir den Hut hinterherwarf, ich merkte, wie ich mich in einer öffentlichen Toilette übergab, ich spürte, wie die Hände eines Zuhälters und einer Nutte meine Hosentaschen durchwühlten.
    Dann geschah etwas Seltsames. Wenn ich von Vietnam träumte, waren das meistens Alpträume, vor denen ich manchmal so viel Angst hatte, daß ich mich vor dem Einschlafen fürchtete. Auf diese Weise hatte ich es mir schon vor der Zeit, als ich wirklich zum Alkoholiker wurde, angewöhnt, mindestens drei Biere zu trinken, damit ich bis zum nächsten Morgen durchschlafen konnte. Aber jetzt war es so, daß mich jemand durch den warmen Regen trug, und ich wußte, daß ich plötzlich wieder in den treuen Händen der Soldaten meines Zuges war. Ich hatte im Dunkel das Geräusch ihrer Stiefel auf dem feuchten Dschungelboden gehört, und dann war mir, als ob ich plötzlich nur noch Zuschauer und nicht mehr Beteiligter wäre, und ich sah mich umgeben von einem kobaltfarbenen Lichtschein, eine elektrische Spannung lief über meinen Körper, und meine Seele erleuchtete die umstehenden Bäume wie eine riesige Kerze.
    Als ich erwachte, stieg immer noch Rauch aus den Rissen in meinem Kampfanzug, und die Männer hatten mich auf einen Poncho gelegt und trugen mich jetzt auf dieser Unterlage, während ringsum der Regen auf das Laub prasselte und über unseren Köpfen die Geschosse einer Schiffsbatterie den Himmel zerschlugen. In der feuchtheißen Dunkelheit hörte ich das schwere Atmen der vier Männer, die mich trugen. Sie rannten in verhaltenem Laufschritt dahin. Die Zweige der Bäume und die zahllosen herunterhängenden Ranken schlugen ihnen in die Gesichter und an die Stahlhelme, und ihre Züge waren wie versteinert. Keiner dachte an die Tretminen, die überall auf dem Pfad liegen konnten. Einer der vier war ein Hillbilly-Junge aus dem nördlichen Teil von Georgia. Er hatte sich eine große amerikanische Flagge auf den muskulösen, sonnengebräunten Arm tätowieren lassen, und er war so stark und zog so kräftig an seiner Ecke des Ponchos, daß ich fast herausgefallen und auf dem Boden gelandetwäre. Aber als in der Nähe ein paar AK 47-Maschinengewehre losgingen und die Männer mich plötzlich absetzen mußten, kroch er dicht zu mir und flüsterte mir mit dem weichen Akzent der Bergbewohner ins Ohr: »Keine Angst, Lieutenant. Wenn an dem Landeplatz niemand is, dann schleppen wir Sie weiter bis Saigon, wenn’s denn sein muß.«
    So trugen sie mich den Rest der Nacht hindurch. Ihre Gesichter sahen erschöpft aus und waren voller Schweiß und Erde, ihre Kampfanzüge waren vom Salz ihres Schweißes völlig steif geworden. Eigentlich hätte ich Angst haben müssen, aber ich hatte keine. Nicht ein einziges Mal ließen die vier nach, obwohl ihnen Arme und Rücken höllisch schmerzen mußten und ihre Hände wund und voller Blasen waren. Der Mond brach durch die Wolkendecke über uns, der Dunst hing wie nässe Watte über dem

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