Neonregen (Detective Dave Robicheaux) (German Edition)
Schlüssel nicht bei mir hatte? Ich hab an dem Morgen mit einer von Julio Seguras Puppen ’ne kostenlose Nummer geschoben und sie hat mich ausgeraubt. Der Schlüssel war in meinem Portemonnaie.«
»Sie haben immerhin versucht, die Leute da rauszuholen, Motley.«
»Sagen Sie das den Leuten im Gericht und im Ersten Revier. Sagen Sie das Purcel. Der hat doch immer ’ne kluge Bemerkung für ’nen Schwarzen übrig.«
»Was hat er denn gemacht?«
»Ich mag die Jungs von Internal Affairs ebensowenig wie Sie. Meiner Meinung nach hat Purcel irgendwie mit denen zu tun. Aber ich schwärz prinzipiell keinen anderen Bullen an, nicht mal Rassisten, also hab ich Purcel nichts weiter zu sagen.«
»Er ist kein Rassist.«
»Wachen Sie endlich auf, Robicheaux. Muß man Ihnen die Fakten wirklich erst um die Ohren hauen? Der Bursche läuft doch ständig mit ’ner Latte rum. Hören Sie endlich auf, den Naiven zu markieren.«
»Sie sind wirklich drauf aus, sich bei anderen Leuten beliebt zu machen, was?«
»Fassen Sie’s auf, wie Sie wollen. Ich hoffe jedenfalls, daß Sie aus dieser Scheiße rauskommen. Aber ich glaub nicht, daß Sie’s schaffen.«
»Sie sind mir ein Sonnenschein, mein Lieber.«
»Man hat Sie ganz schön reingelegt mit der Anklage. Wenn ich Sie wäre, würd ich so schnell wie möglich aus der Stadt verschwinden. Ich glaube, die wollen Sie wirklich auf Eis legen.«
Ich drückte mein Gesicht an die Gitterstäbe und sah ihn schweigend an. Ich fühlte, wie mir der Puls klopfte und die Angst die Kehle zuzuschnüren begann.
»Sie werden beschuldigt, mit ’ner verdeckten Schußwaffe rumgelaufen zu sein«, sagte er und erwiderte meinen Blick mit seinen wissenden, harten braunen Augen. Es war ein lausiger Morgen. Man brachte mich zum Gericht, an eine Kette gefesselt mit vier anderen Betrunkenen, einem Straßendealer, einem psychotischen Exhibitionisten und einem schwarzen Jungen, der einen Tankwart wegen ganzer fünfundsechzig Dollar umgebracht hatte. Richter Flowers war einer von der Sorte, die bei den Anonymen Alkoholikern als harte Knochen bekannt sind. Er hatte es aus eigener Kraft geschafft, vom Alkohol loszukommen, aber er war nur dadurch trocken geblieben, daß er seine tiefe innere Verzweiflung auf andere Menschen übertragen hatte, insbesondere auf die, die vor ihm standen und ihm ihre Alkoholfahne ins Gesicht bliesen. Wegen verdeckten Tragens einer Schußwaffe setzte er meine Kaution auf zehntausend Dollar fest.
Ich hatte nicht einmal die tausend Dollar, die ich brauchte, um dem Kautionsbürgen seine zehn Prozent zu zahlen. Ich saß auf der Pritsche meiner Einzelzelle und starrte auf die Kritzeleien an der gegenüberliegenden Wand. Es war der schlimmste Morgen meines Lebens, vielleicht mit Ausnahme des Tages, an dem mich meine Frau verlassen hatte und mit einem Ölheini aus Houston durchgebrannt war. Wir waren zu einer abendlichen Gartenpartydraußen am See gegangen, wo er auch auftauchte und überhaupt keinen Hehl daraus machte, daß er eine Affäre mit ihr hatte. Er stand Schulter an Schulter mit ihr am Getränketisch, streichelte mit seiner Hand die sanften Flaumhaare auf ihrem Arm und lächelte mich mit seinem etwas rauhen Charme freundlich an, als seien wir beide völlig im Einvernehmen über die Situation. Plötzlich riß irgendwo in meinem Kopf der Faden. Ich fühlte, wie sich mein Gesichtsfeld zu verfärben begann, wie sich ein Glas mit rotgefärbtem Wasser füllt. Dann hörte ich eine Frau schreien und spürte, wie mich starke Männerarme vom Rasen hochhoben und von seinem überraschten, erschreckten Gesicht wegzogen.
Am Morgen fand ich den Zettel, den sie mir geschrieben hatte, auf dem Tisch draußen unter dem großen Sonnenschirm, wo wir immer gefrühstückt hatten, während die Sonne über dem Lake Pontchartrain aufging.
Lieber Dave,
ich weiß nicht, was Du eigentlich suchst, aber nach drei Jahren Ehe mit Dir bin ich zu der Überzeugung gekommen, daß ich nicht dabei sein möchte, wenn Du es findest. Es tut mir wirklich leid. Wie Dein baseballspielender Freund, der Barkeeper, immer sagt: »Halt ihn hoch und steif, Partner.«
Nicol
»Was soll das? Warum haben Sie Ihre Sachen ausgezogen?« fragte mich der Wächter durch die Gitterstäbe der Zelle.
»Mir ist heiß.«
»Aber hier gehn ständig Leute durch!«
»Dann tun Sie was dagegen.«
»Guter Gott, Dave, wissen Sie eigentlich, was Sie tun?«
»Ich weiß genau, was ich tu. Mir geht’s im Augenblick ganz hervorragend.« Ich ballte
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