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Neonregen (Detective Dave Robicheaux) (German Edition)

Neonregen (Detective Dave Robicheaux) (German Edition)

Titel: Neonregen (Detective Dave Robicheaux) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Lee Burke
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was sie bei den Anonymen Alkoholikern immer sagen?«
    »So ziemlich.«
    »Gehst du heute abend mit mir zum Pferderennen?«
    Ich berührte das feuchte, lockige Haar in ihrem Nacken und strich mit meinen Fingern über ihre glatten Wangen. Ihre Augen lächelten mich an. Sie klopfte mir leicht auf den Oberschenkel, und ich spürte, wie eine Schwäche wellengleich durch meinen Körper flutete und sich dann in meinen Lenden sammelte und anschwoll.
    Als wir unten am Lake Pontchartrain ankamen, war es, als kämen wir aus einem Dampfbad und träfen auf die kühle, nach Salz riechende frische Luft. Pelikane stürzten sich aus dem blauen Himmel ins Wasser auf der Jagd nach Fischen, die Flügel hinter ihren Köpfen zusammengelegt, als seien sie von einem Bombenflugzeug abgeworfen worden. Sie schienen in dem trüben grünen Wasser zu explodieren und stiegen dann plötzlich wieder auf, einen hilflos zappelnden, silbrig glänzenden Fisch im Schnabel. Weit draußen am Horizont leuchteten die weißen Schaumkronen der Wellen im Sonnenlicht, und eine lange, strahlendweiße Jacht mit roten Segeln stampfte durch die Dünung, wobei der Bug wahre Fontänen von Gischt aufsteigen ließ.
    Ich duschte und rasierte mich in meinem kleinen Bad und spürte, wie der Geruch des Gefängnisses, das mich physisch berührt hatte wie eine schmutzige, zudringliche Hand, endlich von meiner Haut gespült wurde. Ich tupfte vorsichtig die Stiche an meiner Kopfhaut ab, dann nahm ich die alten Verbände von Schulter und Arm ab, wo die Glassplitter mir ins Fleisch gedrungenwaren, und ließ das warme Wasser über die verkrustete Haut laufen. Annie stand an meinem kleinen Herd und kochte Barschfilets mit Spinat und hartgekochten Eiern, und zum erstenmal an diesem Tag verspürte ich Hunger. Ich trocknete mich ab, setzte mich auf die Bettkante, ein Handtuch um die Hüften gewickelt, und öffnete den Plastikkasten mit der Erste-Hilfe-Ausrüstung, in dem ich die Mullbinden und Salben für meine Schulter und meinen Arm aufbewahrte. Ich hätte es durchaus selbst machen können. Mein Stolz und meine noch größere Selbstachtung verlangten das eigentlich. Ich blickte auf den geschlossenen Vorhang und hörte, wie Annie mit den Töpfen auf dem Herd hantierte.
    »Annie, ich brauch mal kurz deine Hilfe«, rief ich. Sie schob den Türvorhang beiseite.
    »Ich schaff’s nicht allein, den Verband richtig anzulegen«, sagte ich.
    Sie setzte sich neben mich, trug mit einem Wattebausch Salbe auf die Wunden auf, schnitt mit der Schere das Leukoplast in Streifen und klebte zwei große, zusammengefaltete Gazepolster auf die mit Salbe bestrichenen Wunden. Dann rieb sie mir mit beiden Händen über die Haut, von den Schultern den Rücken hinunter und dann über die Brust, wobei ihre Augen ohne jede Scheu über meinen Körper streiften, als ob sie mich zum erstenmal richtig betrachtete. Ich drückte sie auf das Bett zurück und küßte ihren Mund und ihren Hals, knöpfte ihre blumenbedruckte Bluse auf und legte meinen Kopf auf das rote Muttermal auf ihrer Brust. Ich fühlte, wie sich ihr Körper streckte und sich an meinen drückte. Ich fühlte das Vertrauen, die Hingabe, die eine Frau einem Mann in dem Augenblick schenkt, da sie ihre Begierde nicht länger verbirgt, sondern ihm eine Zärtlichkeit zukommen läßt, die in ihrer Großzügigkeit stets unerwartet kommt, die einem zu Herzen geht und einen demütig und bescheiden werden läßt.
    Diesesmal wollte ich ihr mehr geben, als sie mir gab, aber ich war dazu nicht in der Lage. In wenigen Sekunden hatte ich mich in ihr verloren, ihre Hände fest auf meinen Rücken gepreßt, ihre Beine auf fast mütterliche Art um meine, und als ich mich anspannte und versuchte, mich zurückzuhalten, weil es viel zu frühwar, legte sie ihr Gesicht nah an meines, küßte meine Wange, strich mir mit den Fingern durch die Haare auf meinen Hinterkopf und flüsterte: »Schon gut, Dave. Nur zu, ist schon gut.« In diesem Moment fühlte ich, wie der ganze Zorn, die Angst und die Hitze der letzten beiden Tage wie eine dunkle Blase in einem Brunnen in mir aufstiegen, sich sammelten, all ihre Energie stauten und sich dann ins Licht verströmten, in die Glückseligkeit ihrer Schenkel, die Umklammerung ihrer Arme, die blaue Zärtlichkeit ihrer Augen.
    Am Abend auf dem Rennplatz, während am westlichen Himmel die Blitze eines Wärmegewitters tanzten, spazierten wir durch den Blumengarten neben dem Sattelplatz, sahen zu, wie die Pferdeburschen die vom Rennen erhitzten

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