Neonregen (Detective Dave Robicheaux) (German Edition)
Denken Sie mal nach. Wenn Sie an des Generals Stelle wären, würden Sie sich mit einem Penner abgeben, wie Sie einer sind?«
»Drehen Sie sich doch mal um. Da sind ein paar Kollegen von Ihnen, die gern ein Wort mit Ihnen reden möchten«, sagte Wineburger.
Hinter mir standen zwei uniformierte Streifenpolizisten. Sie waren noch jung, hielten ihre Mützen in den Händen und fühlten sich offensichtlich nicht ganz wohl in ihrer Haut. Einer der beiden versuchte ein Lächeln.
»Kein guter Abend, was, Lieutenant?«
»Machen Sie sich deswegen keine Sorgen«, antwortete ich. »Ich hab allerdings meine Rock’n’Roll-Kassette dabei. Knöpfen Sie mir einfach die Jacke auf, dann können Sie sie aus dem Gürtel nehmen.«
Seine Hand strich mit einer fast zärtlichen Bewegung über meinen Bauch hinweg und zog mir dann vorsichtig die 45er aus der Halfter.
»Kommen Sie mit, hier lang. Wir gehn durch den Seiteneingang raus«, sagte er. »Aber im Wagen müssen wir Ihnen Handschellen anlegen.«
»Schon in Ordung«, sagte ich.
»He, Robicheaux«, rief Wineburger mir nach, »rufen Sie doch den Farbigen an, der ein Kautionsbüro an der Rampart Street hat. Er wird Ihnen Kredit geben.«
Ich warf einen Blick zurück auf den General, der seine sonnengebräunte Stirn in Falten gelegt hatte, während er angestrengt ins Leere blickte.
Sie fuhren mit mir in die Stadt und steckten mich in die Ausnüchterungszelle. Beim ersten Licht des Morgens wachte ich auf einer eisernen Pritsche auf, deren graue Lackierung mit zahllosen Kratzern, rostigen Namen und Obszönitäten bedeckt war. Ichsetzte mich langsam auf, wobei ich mich mit beiden Händen auf den Bettrahmen stützte, und roch den ranzigen Gestank von abgestandenem Schweiß, altem Zigarettenrauch, Alkohol, Urin, Erbrochenem und von der deckellosen, verkrusteten Toilette in der Ecke; überall auf dem Fußboden und den Pritschen, die an Ketten von der Decke hingen, lagen schnarchende Betrunkene, geistlose Stadtstreicher, versoffene Schlägertypen, die immer noch blutverschmiert waren, ein paar echt schlimme Jungs und eine Reihe verängstigter bürgerlicher Typen aus der Mittelschicht, die mit Alkohol am Steuer erwischt worden waren und später darauf bestehen würden, daß man sie mit dem Respekt und der Achtung behandelte, die einem Mitglied der Kiwanis gebührten.
Ich ging auf Strümpfen zur Toilette und beugte mich drüber. An der Decke waren eine Menge Namen zu sehen, die mit einem Feuerzeug in die gelbe Farbe gebrannt worden waren. Meine Augen tränten vom beißenden Gestank der Toilette, und mein Kater war so weit fortgeschritten, daß die Venen in meinem Kopf sich anfühlten, als seien sie wie mit einem Hutband gespannt. Zehn Minuten später öffneten ein Wächter und ein Kalfakter in weißer Arbeitskleidung die verriegelte Tür und rollten einen Edelstahlkarren mit trockenem Rührei, Maisgrütze und schwarzem Kaffee herein, der penetrant nach Jod schmeckte.
»Zeit für die Hors d’œuvres, Gentlemen«, sagte der Wächter. »Die Unterkünfte bei uns sind zwar bescheiden, aber wir haben ein warmes Herz. Wenn ihr vorhaben solltet, bis zum Lunch zu bleiben – es gibt heute Spaghetti mit Fleischklößchen. Und bitte fragt nicht nach Einwickelpapier. Und versucht auch nicht, euch die Taschen mit Essen vollzustopfen, auch wenn die Versuchung groß ist.«
»Wer zum Teufel ist der Kerl?« fragte ein Soldat, der auf dem Fußboden saß. Seine Krawatte hing lose um seinen Hals, und an seinem Hemd fehlten die Knöpfe.
»Der ist in Ordnung«, sagte ich.
»Genau der richtige Ort für einen Komiker«, sagte er und schnippte seinen Zigarettenstummel an die Wand über der Toilette.
Ich wartete, bis der Kalfakter die Pappteller mit Rührei und Maisgrütze verteilt hatte und zusammen mit dem Wächter durchdie Tür verschwunden war. Dann ging ich an das Zellengitter und klopfte mit meinem Ring an die Eisenstäbe, um die Aufmerksamkeit des Wärters zu wecken. Er sah mich mit ausdruckslosem Gesicht an und zwinkerte mehrmals mit den Augen, entweder um zu verbergen, daß er mich erkannt hatte, oder weil ihm die Situation peinlich war.
»Wann werden wir dem Richter vorgeführt, um acht?« fragte ich.
»Um acht werden alle gemeinsam mit den Handgelenken an die Kette gebunden. Wann Sie dann an die Reihe kommen, kann ich nicht sagen.« Beinahe wäre ihm noch das Wort »Lieutenant« herausgerutscht, aber er preßte die Lippen zusammen.
»Wer sitzt heut morgen auf der Richterbank?«
»Richter
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