Neonregen (Detective Dave Robicheaux) (German Edition)
durch die ganzen Leute da drin durch. Gibt’s nicht noch einen anderen Weg in die Bibliothek?«
»’türlich, Sir. Gehn Sie einfach durch die Küche. Das Mädchen sagt Ihnen, wo’s langgeht.« Ich überquerte den kurzgeschnittenen Rasen, ging durch eine riesige, im Kolonialstil gehaltene Küche mit gemusterten Wänden, wo drei schwarze Hausmädchen Hors d’œuvres zubereiteten, und trat in einen Flur. Durch die leichte geöffnete Tür der Bibliothek sah ich zwei Männer mit Highball-Gläsern in der Hand, die sich mit einem dritten Mann unterhielten, der mit übereinandergeschlagenen Beinen in einem Sessel saß. Einen der beiden stehenden Männer erkannte ich sofort. Ich stieß die Tür auf, nahm einen Schluck aus meinem Champagnerglas und lächelte die drei an.
Der General hatte ein wenig zugenommen seit der Zeit, als das Zeitungsfoto gemacht worden war, aber seine Haut war immer noch intensiv gebräunt und strotzte vor Gesundheit, sein weißes Haar war militärisch kurz geschnitten, und seine azetylenblauen Augen sahen mich mit dem klaren, unbeirrbaren Blick eines Mannes an, der weder von Anfechtungen noch von moralischen Zweifeln geplagt wurde.
»Wie geht es Ihnen, General?« fragte ich. »Erstaunlich, wer heutzutage plötzlich auf einer Cocktailparty auftaucht. Damit mein ich natürlich mich. Aber was machen Sie mit Figuren wie Whiplash Wineburger? Die meisten Menschen würden sofort den Kammerjäger rufen, wenn sie den Kerl irgendwo in ihrer Nachbarschaft sehen.«
»Ich mach das schon«, sagte Wineburger und streckte die Hand nach dem Telefon aus, das auf dem Tisch stand.
»Ist schon in Ordnung«, sagte der General.
»Da wär ich mir nicht so sicher«, sagte ich. »Ich würde sagen, ein paar ihrer Kader lösen sich in Wohlgefallen auf. Ich hab da ein paar Polaroidaufnahmen von Bobby Joe Starkweather, wie er hinter seiner Angelhütte im Dreck liegt. Sie können sie gern haben und als Ansichtskarten verschicken.«
»Sie werden in meinem Hause als Gast behandelt, auch wenn Sie ohne Einladung hergekommen sind, Sie können gern wieder an die Bar zurück, Sie können aber auch gehen.«
»Ich fühl mich hier ganz wohl.«
»Sie haben zuviel getrunken. Oder vielleicht leiden Sie einfach unter einer Zwangsvorstellung«, sagte er. »Jedenfalls sind Sie umsonst hergekommen.«
»Sie hätten sich lieber an die reguläre Armee halten sollen, General. Diese Typen hier, die jetzt für Sie arbeiten, taugen nicht mal für die Mafia. Wineburger hier ist wirklich ein Juwel. Ein naiver Cop vom Ersten Revier hat ihn irgendwann mal gefragt, ob er nicht ein paar mittellose Haitianer verteidigen würde, und er hat geantwortet, er hätte schon ’nen ganzen Koffer voller Lebensmittelmarken. Es sind diese Amateure, die den IPs das Leben schwermachen.«
»Was wissen Sie denn von IPs?«
»Ich war auch in Vietnam, allerdings mit dem Unterschied, daß meine Einheit immer wieder ihren Hals riskiert hat, um unschuldige Zivilisten zu schützen. Ich glaube nicht, daß Sie das sagen können.«
»Wie können Sie es wagen!« rief er.
»Hören Sie auf mit der Vornehmtuerei. Das Blut von Sam Fitzpatrick klebt an Ihren Fingern, und ich werde Sie deswegen drankriegen.«
»Hören Sie nicht auf ihn. Er ist ein Säufer«, sagte Wineburger.
»Ich werd Ihnen noch was sagen, über das Sie nachdenken können«, fuhr ich fort. »Ich habe den Vater dieses neunzehnjährigen Mädchens aufgesucht, das Seguras Leute umgebracht haben. Was würden Sie davon halten, zu ihm zu gehen und ihm zu erklären, warum man ihr das Leben genommen hat wegen dieses albernen Elefantenspiels, das Sie und Ihre Kretins spielen.«
»Machen Sie, daß Sie rauskommen!«
»Sie haben ihren Sohn in Vietnam verloren, aber ich bin sicher, wenn er noch lebte, würde er sagen, daß es eine Schande ist, was Sie da machen.«
»Verlassen Sie sofort mein Haus und kommen Sie nie wieder hierher!«
»Ich werde Sie nicht in Ruhe lassen, General. Ich werde für Sie die schlimmste Erfahrung in Ihrem Leben sein.«
»O nein, das werden Sie nicht, Robicheaux«, sagte Wineburger. »Sie reden zuviel, und außerdem stinken Sie. Sie sind ein kleiner Laffe, der allen auf die Nerven geht.«
»Whiplash, was glauben Sie eigentlich, warum Sie hier sind? Vielleicht, weil Sie ein so brillanter Anwalt sind? Die meisten Leute hier können Juden nicht ausstehen. Im Augenblick bezahlen sie Sie zwar, aber wenn die Sie nicht mehr brauchen, könnten Sie das gleiche Ende nehmen wie Bobby Joe oder Julio.
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