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Neonträume: Roman (German Edition)

Neonträume: Roman (German Edition)

Titel: Neonträume: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sergej Minajew
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das Verdikt: » Moskau ist einfach zu voll… Keine positiven Schwingungen. Und viel zu viele Spießer. Ich verstehe gar nicht, wo die alle herkommen.«
    » Und wer ist ein Spießer, wenn ich fragen darf?«, mischt sich Wanja ein.
    » Na ja, ein Spießer ist eben ein Spießer…ha, ha, ha… Was gibt es da nicht zu verstehen?« Tanja legt den Kopf in den Nacken und lacht schallend.
    » Give me five!«, plärrt Wika, und die Mädel klatschen ihre Handflächen gegeneinander wie beschissene Basketballspieler. Dabei kreischen sie wie ein Rudel Schimpansen.
    » Hübsche Mädchen!« Ich mache ein idiotisches Gesicht und strecke den Daumen nach oben. » Und so klug!«
    Anton sieht mich von der Seite an. Wanja findet die Sache auch nicht zum Lachen.
    » Komm, Tanja, jetzt sag doch mal! Was ist ein Spießer, deiner Ansicht nach?«, hake ich nach und lasse meinen Whiskey zügig in mich hineinlaufen.
    » He, was willst du jetzt eigentlich von mir?«, wehrt sie ab.
    » Nichts, ich frag nur so, aus Neugier.«
    » Das ist typisch Andrej«, kichert Anton. » Wen den etwas interessiert, lässt er nicht locker.« Er scheint das Ganze amüsant zu finden. Mich dagegen macht es rasend.
    » Na ja, also Spießer, das sind so nervige, altmodische, uncoole Leute. Die wissen nicht, wie man sich benimmt, sie sind schlecht gekleidet und reden komisch. Wie Kolchosniki.«
    » Wie wer?«
    » Wie Kolchosniki! Solche Omas aus dem Dorf und so.«
    » Aha. Verstehe. Gibt es sonst noch irgendwelche Merkmale?« Ich gieße mir Whiskey nach.
    » Sie sitzen den ganzen Tag zu Hause vor der Glotze.« Tanja rollt die Augen. Anscheinend denkt sie nach. » Und außerdem…«
    » Außerdem müssen sie immer über alles streiten. Eine Bekannte von mir, zum Beispiel, wollte mir mal unbedingt beweisen, dass in Moskau alle Vertu-Handys Fälschungen sind.«
    » So eine dumme Kuh! Das war Natascha, stimmt’s? Dabei hat die noch nie ein echtes Vertu in der Hand gehabt!«, empört sich Tanja.
    » Und du siehst nie fern, Tanja?«, frage ich weiter.
    » Nee, echt nicht! Nur manchmal. Reality-Shows am liebsten oder Soaps natürlich auch. Aber Nachrichten oder so einen Quatsch auf keinen Fall!«
    » Alles klar. Deshalb bist du auch immer positiv drauf und die Spießer nicht?«
    » Also nein, Kinder, der nervt doch jetzt, findet ihr nicht?«, beschwert sich Wika bei meinen Freunden. » Andrej, du hast anscheinend wirklich Stress. Ich kann dir einen hervorragenden Psychiater empfehlen.«
    » Vielen Dank.« Einen Arzt für Geschlechtskrankheiten bräuchte ich jetzt dringender.
    » Also ein Spießer ist nicht positiv drauf, und wer nicht positiv drauf ist, ist ein Spießer. Ich glaube, jetzt hab ich’s verstanden.«
    » Aber nein, überhaupt nicht!«, lacht Tanja. » Ganz anders! Alle Spießer sind meistens nicht positiv drauf. Aber ist doch auch egal. Kommt, trinken wir noch einen Mojito!«
    » Mahlzeit, Kumpels!«, höre ich eine Stimme neben meinem linken Ohr, gerade als ich vollends in Trübsinn versinken will.
    » Oh, Wowa!«, grinst Anton. » Wo kommst du denn her?«
    » Ich bin mit Sonja hier. Wir sitzen dahinten.« Wowa gibt allen die Hand. » Wir haben uns versöhnt. Ich stelle sie euch gleich vor.«
    Das war’s. Das ist das Ende. Darauf habe ich mein ganzes Leben lang gewartet, denke ich.
    Wowa zieht ab und schleppt eine dünne Brünette an, etwa fünfundzwanzig Jahre alt, in kurzem schwarzem Kleid und Schuhen mit hohen Absätzen. Um den langen, schlanken Hals trägt sie eine feine Perlenkette, am Handgelenk eine Uhr mit Stahlarmband, im Gesicht– minimales Make-up. Eigentlich eine ganz hübsche Braut. Wieso die mit so einem verschnarchten Trottel wie Wowa zusammen ist und sich sogar noch mit ihm versöhnt, verstehe ich nicht. Wahrscheinlich hat er den Posten als geschäftsführender Direktor doch gekriegt.
    Die Vorstellungsprozedur läuft an, wobei die Mädels zuerst Wowa, dann seine Frau mit den Augen auffressen. Offensichtlich macht Wowa keinen besonderen Eindruck auf sie, genauso wenig wie seine Partnerin (kein Vertu), also senken sie ostentativ und einträchtig die Näschen auf ihre Tellerchen.
    » Wir könnten doch unsere Tische zusammenschieben und gemeinsam etwas trinken!«, schlägt Wowa vor. Die Gesichter der Sitzenden zeigen wenig Begeisterung über diesen Vorschlag, was Wowa allerdings nicht abschreckt. Flugs bittet er den Kellner, ihre Sachen herüberzubringen. Die Damen machen lange Gesichter. Am übelsten trifft es allerdings mich selbst: Wowa macht

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