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Neonträume: Roman (German Edition)

Neonträume: Roman (German Edition)

Titel: Neonträume: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sergej Minajew
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plötzlich neben mir steht. » Komm, lass uns gleich anfangen, ich hab noch genau vierzig Minuten.«
    Ich schalte das Diktaphon ein, stecke mir eine Zigarette an und überlege schnell, wie ich die Fragen umformulieren kann, die ich mir vorhin noch schnell aus dem Internet gezogen habe.
    » Aber bitte nicht die 08/15-Fragen, die ich schon tausendmal beantwortet habe.«
    » Selbstverständlich, Igor Olegowitsch«, versichere ich gestenreich. » Ich versuche in meinen Interviews immer die persönliche Eigenart meines Gesprächspartners durchklingen zu lassen.«
    » Aha. Na dann mal los.«
    » Also, Igor, wann sind Sie ins Restaurantgeschäft eingestiegen?«
    » Hallo?« Bucharow schaut mich fragend an.
    » Das ist nur zur Einführung, äh, als Vorspann, sozusagen…«, versuche ich mich herauszuwinden.
    » Soll ich dir vielleicht meine PR -Mappe geben?«, schlägt er vor.
    » Äh…« Eine Sekunde lang überlege ich, ob ich ablehnen sollte…
    » Rita hat mir euer Tape gegeben. Ein paar Tracks hab ich mir schon angehört«, sagt Schitikow.
    » Und?«
    » Tja, meine Kragenweite ist das nicht, aber wenn der Kunde es haben will, warum nicht?«
    Dmitri Schitikow arbeitet als so eine Art Freizeitgestalter für begüterte Herrschaften. Abendgesellschaften, Geburtstage, Firmenbesäufnisse und dergleichen mehr. Mit seinen fünfunddreißig Jahren ist er stolzer Besitzer eines BMW X 5, einer Wohnung in bester Lage, zweier Freundinnen und eines weniger schönen Rufs als Liebhaber allzu junger Mädchen. » Für den beginnt mit sechzehn Jahren die Nekrophilie«, wird diese spezielle Vorliebe Schitikows in der Szene kommentiert. Na gut, seine Sache, das geht mich nichts an.
    Jedenfalls, mit zwanzigminütiger Verspätung ist er aufgetaucht und sofort zur Sache gekommen:
    » Also, um es kurz zu machen, Andrej, ich habe mich ein bisschen über dich und deine Truppe erkundigt. Was ihr da macht, ist nichts als gequirlte Scheiße, entschuldige die Direktheit– aber zum Karneval passt es.«
    » Was soll das heißen– gequirlte Scheiße?«, raunze ich. » Und was für ein Scheißkarneval?«
    » Willst du Geld verdienen oder willst du die beleidigte Leberwurst spielen?«
    » Also eher– Geld verdienen«, gebe ich zu.
    » Dann halt die Klappe und hör zu, du Gangsta-Rapper. Der Chef der Firma Trans-Beton, Wladimir Jakowlewitsch Larionow, feiert einen runden Geburtstag. Ein Oligarch im besten Wortsinn. Ziemliches Kaliber. Schon mal von ihm gehört?«
    Und ob ich von dem gehört habe. Laut Forbes einer der zehn reichsten Männer Russlands. Schillernde Figur.
    » Die ganze Veranstaltung soll als Karneval laufen, stattfinden soll das Ganze im Restaurant Parisienne. Es gibt Masken, Kostüme, das übliche Brimborium. Ihr sollt vor dem eigentlichen Musikprogramm auftreten, vor Via-Gra, Serebro, nach Tanja Bulanowa und irgendeiner Tanzshow. Als Vertreter der Subkultur. Ich will eure Texte morgen Vormittag auf dem Tisch haben, zum Absegnen. Es kann ruhig ein bisschen schmutzig sein, aber mit Ironie. Keine Gewaltverherrlichung, keine Beschimpfungen. Alles klar?«
    » Alles klar«, sage ich, ein wenig überrumpelt.
    » Honorar: drei Riesen, aber du quittierst mir fünf, das ist so üblich. Sollte rauskommen, dass nur drei bei dir gelandet sind, kannst du deine Kariere vergessen, in Moskau kriegst du dann in dem Geschäft kein Bein mehr auf die Erde. Verstanden?«
    » Und die zwei Riesen lässt du…« Ich mache eine Geste, als poliere ich mit der Hand eine Kugel.
    » Es ist, wie es ist.« Schitikow dreht sich um, winkt jemandem zu und zerdrückt seine Zigarette im Aschenbecher. » Das Geld wird dir von meinem Assistenten eine Stunde vor Beginn der Veranstaltung ausgehändigt. Start ist um acht, euer Auftritt um neun. So sieht es aus.«
    » Dmitri, noch eine Frage. Wenn das ein Karneval ist, was sollen wir dann anziehen?«
    » Was ihr anziehen sollt? Keine Ahnung. Ich bin nicht der Conférencier.« Schitikow kratzt sich am Hinterkopf. » Ihr könnt ja als Gangster aus Chicago kommen. Ich glaube, die Gäste gehen alle als Tiere verkleidet. So steht’s auf den Einladungskarten.«
    » Und der Chef kommt wahrscheinlich in der schärfsten Aufmachung, was? Als Pfau oder als Suppenhühnchen…« Ich lache schallend. Doch Schitikow, der zuerst mitgelacht hat, verstummt schlagartig. Mein einsames Lachen hallt nach wie das heisere Krächzen eines Lungenkranken im leeren Krankenzimmer.
    Schitikow durchbohrt mich mit seinem Blick, verzieht dann den Mund zu einem

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