Neonträume: Roman (German Edition)
lauter!«, sagt eins von den Mädchen.
Wir haben die beiden im Mon Café aufgegabelt– ein echtes Schnäppchen, würde ich sagen, denn was gibt es Erfreulicheres, als um zwei Uhr nachts, wenn man überall nur noch Scheintote sieht, plötzlich zwei wirklich hübsche Bräute zu treffen. Was Besseres kann dir nicht passieren. Na gut, mach ich die Musik halt lauter, aber dann richtig! Ich drehe den Regler bis zum Anschlag, dass die Boxen fast ihre Innereien ausspucken. Die Mädchen kreischen. Ich lasse den Korken aus einer Flasche Gancia Asti knallen, schlürfe hastig den herausschießenden Schaum und reiche die Flasche an Polina (oder Sweta?) nach hinten. Sie fasst sie ungeschickt am unteren Ende, trinkt hastig, verschluckt sich prompt und prustet das ganze Zeug in hohem Bogen nach vorne, genau dorthin, wo ich sitze. Und wo landet es? Natürlich auf meinem blauen, nagelneuen T-Shirt von Dsquared! Sweta (oder Polina?) entschuldigt sich tausendmal, reibt mit ihrem Ärmel an meinem T-Shirt herum und plappert irgendwelchen Unsinn. Aber das interessiert mich jetzt alles nicht die Bohne, genauso wenig wie ihr Name, denn dieses T-Shirt hat 450 Dollar gekostet und ist jetzt schlicht und einfach ru-i-niert!
Aber weil gerade der Refrain einsetzt, fangen alle, einschließlich dieser Trampeltante, an, auf ihren Sitzen zu hüpfen und mitzusingen:
» You’ll remember me, for the rest of your life!«
Dann erhebt sich die Frage, wo wir überhaupt hinfahren wollen. Ljocha schlägt die Galerie vor. Ich kläre ihn darüber auf, dass die Galerie um die Uhrzeit schon dicht ist und votiere für das Vogue Café. Dazu skandiere ich einen selbstgebastelten Rap auf » Vogue« und fuchtele albern mit den Zeigefingern in der Luft herum. Die Mädchen machen die Background-Vocals und wälzen sich dann kreischend vor Lachen auf den Sitzen. Ich lache mit, bis mir einfällt, dass das Vogue Café um diese Zeit auch geschlossen hat.
Ljocha schlägt vor, wenn das Vogue zu ist, könnten wir ja in die Galerie fahren, womit klar ist, dass er noch besoffener ist als ich.
Schließlich kommt eins von den Mädchen auf die Idee, in die Bar 37/7 zu fahren, die eventuell noch offen sein könnte. Froh, diese Frage entschieden zu haben, lehnen wir uns entspannt in unsere Sitze, zünden uns Zigaretten an und schauen träge aus dem Fenster– jeder aus seinem. Ich träume ein wenig von meiner Villa am Cap d’Antibes, die leider noch nicht weiß, dass es mich gibt, und achte nebenbei mit einem kleinen, aber sehr konzentrierten Teil meines Bewusstseins darauf, dass Ljocha mit seinem besoffenen Kopf uns nicht gegen einen Laternenpfahl setzt oder– verdammt– diesen beschissenen verrosteten Müllwagen rammt, den er da gerade eben einfach nicht zur Kenntnis genommen hat!
Irgendwann halten wir an einer roten Ampel, und im Licht der Scheinwerfer sehe ich an einer Hauswand ein Graffito, bestehend aus einem einzigen Wort:
WARUM ?
Eine der beiden Bräute, die, die keinen Asti getrunken hat, sagt, den Blick ins Leere gerichtet:
» Ja, interessante Frage. Warum eigentlich? Warum das alles?«
» Ist doch klasse«, antworte ich, in der Annahme, sie rede mit mir.
» Daran ist nichts klasse, Andrej, absolut nichts.«
» Findest du? Na ja, vielleicht… Ich hätte eher rote Farbe genommen. Und für die Konturen Giftgrün oder so was.«
» Denkst du wirklich so?«, hakt sie nach. » Ich meine, sagst du jetzt genau das, was du denkst?«
» Tja also… Ich bin nicht ganz sicher.« Mir wird plötzlich unbehaglich, es passt mir nicht, dass diese Tussi mich in die Enge treibt. Aber ich fange mich schnell wieder und gebe lässig zurück:
» Ich denke nur, Giftgrün wäre auch keine schlechte Variante. Aber bitte, wenn du unbedingt willst, es kann auch jede andere Farbe sein. Such dir was aus! Do it your own way!«
» Hast du schon mal etwas wirklich your own way gemacht, Andrej? Irgendwann? Irgendwas?«
» Ich? Ha, ha! Du schießt ja brutal aus der Hüfte, mein Liebling!« Ich richte eine imaginäre Pistole auf sie und mache » Paff!«.
Sie sieht mich an, ganz direkt, ohne zu blinzeln. Und von diesem Blick wird mir schon wieder ganz anders.
Um fünf Uhr morgens finden wir uns vor ihrer Wohnungstür wieder, die in der Gegend des Lenin-Prospekts gelegen sein muss. Meine rechte Hand umfasst ihre Taille, in der anderen quetsche ich einen Blumenstrauß, den ich bei einer zerfledderten Großmutter gekauft habe, die sich unbegreiflicherweise zu dieser nachtschlafenden Zeit
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