Neonträume: Roman (German Edition)
» Immer noch billiger, als wenn man die Bräute bei Listermans Hostessen-Service einkauft.«
» Na dann los, holen wir unsere Preise ab!«, grinst er und schlägt mir auf die Schulter.
» Ich habe morgen Vormittag einen wichtigen Termin in der Redaktion«, versuche ich mich zu drücken.
» Ich bitte dich!«, macht Anton und zieht einen Flunsch. » Weswegen haben wir uns dann für viel Geld herkutschieren lassen!«
» Na gut, meinetwegen, es reicht wahrscheinlich, wenn ich am Nachmittag da aufkreuze.« Wieder einmal siegt der gesunde Menschenverstand.
» Warum nicht gleich so?«
» Welche Masche wollen wir abziehen? Wie immer?«, frage ich pro forma.
» Klaro. Der Film ist die Königin der Künste. Sagt Lenin.«
» Aber diesmal bitte ohne Drama!«
» Wann hätte ich je ein Drama veranstaltet?«, empört sich Anton.
» Natürlich nie. Ich erinnere mich bloß, wie du bei der letzten Miss-Broadway-Wahl im Vollsuff angefangen hast, die Siegerin anzubaggern. Die Sponsoren hätten uns fast gelyncht. Aber sonst war alles in Ordnung. Also, für diesmal ergeht folgender Plan: Wir suchen uns die beiden Bräute, die am verheultesten aussehen und…«
» Oder vielleicht die mit dem gierigsten Blick?«
» Das sind in der Regel dieselben. Folgendes: Ich bin Regisseur und bereite gerade einen neuen Film vor, du bist Produzent bei Atlantik.«
» Du und Regisseur? Du hast doch den Jargon gar nicht drauf. Ich wette, du kennst nicht einen angesagten Namen aus der Branche.«
» Spielberg. Buslow. Cut und Klappe…«
» Ja, alles klar. Ich schätze, sogar die Bräute da sind beschlagener als du. Ich würde sagen, du machst den Produzenten, und ich plaudere über Antonioni und Bergman.«
» Ganz wie du willst.« Ich hebe die Hände zur Decke, zum Zeichen der Kapitulation. » Aber bitte Tempo. Wir schnappen uns die Mädels und verschwinden. Über Beckham kannst du dann zu Hause plaudern.«
» Bergman.«
» Meinetwegen auch über den.«
Wir schieben uns durch einen dichten Pulk von champagnerglasbestückten Mädchen, volltrunkenen Journalistenkollegen, rotglühenden Sponsoren, gackernden Investoren, dauergrinsenden Promoters und Filmstars, gelangen an den Rand der Bühne, vor der sich die Verliererinnen des Wettbewerbs herumdrücken, und beginnen sofort, nach geeignetem Wild auszuspähen. Eine großgewachsene, sportlich gebaute Brünette fällt mir in die Augen. Sie lehnt an der Rampe und heult hemmungslos in ihre zarten Pfötchen, derweil eine hellblonde, von der Natur großzügig beschenkte Fee ihr beharrlich die Tränen von den Wangen tupft. Beschenkt ist die Fee nicht nur mit appetitlichen Rundungen, sondern auch mit einem wachen Verstand, denn während sie ihre Freundin tröstet, vergisst sie nicht, den Saal nach einem Prinzen abzuscannen, der ihr die Bitterkeit der Niederlage versüßen könnte. Und das Schicksal (braves Schicksal!) meint es gut mit ihr.
» Na Mädels, warum so traurig?«, öle ich drauflos.
» Jetzt sieh dir das an!«, steigt Anton sofort ein. » Claudia Cardinale in Dolce vita! Eins zu eins!«
Profunde Kenntnisse, alle Achtung, denke ich, tune meine Stimme auf sonore Würde und sage laut:
» Genau, in dieser Szene am… am…«
» Am Strand«, führt Anton zu Ende. » Sie steht dort allein am Strand und weint bittere Tränen. Meine Damen, Sie sollten nicht weinen, sondern ganz schnell Verträge unterschreiben. Nun schau dir das an! Ich habe in meinem Leben ja schon einige Probeaufnahmen gemacht, aber so etwas…«
» Wie waschechte Italienerinnen«, bestätige ich.
Die Brünette hat sich augenblicklich beruhigt und guckt uns aus ihren verweinten Augen groß an. Ihre Freundin dagegen taxiert uns noch mit einem gewissen Misstrauen.
» Sie haben das Finale nicht erreicht, aber was heißt das schon?«, schwadroniere ich weiter. » Beim Film haben Sie viel bessere Chancen als die Siegerinnen, glauben Sie mir.«
» Gehören Sie zu den Veranstaltern?«, fragt die Blonde.
» Sehen wir aus wie Veranstalter? Anton, sehen wir wie Veranstalter aus?«
» Ich will nicht hoffen!« Anton schüttelt angewidert den Kopf.
» Ich bin Andrej Buslow, Creativ Producer bei Atlantik, und das ist mein Freund, der bekannte Regisseur Anton Bondartschuk, ein Bruder von…«
» Andrej, lass doch die Förmlichkeiten, ich bitte dich«, schmunzelt er unwillig.
» Der Bondartschuk?« Die Augen der Brünetten fangen an zu glänzen, aber nach Heulen ist ihr nicht mehr zumute. » Und Sie…«
» Ich bin der jüngere
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