Neonträume: Roman (German Edition)
Champagner, was ihm einen nervösen Blick des Chauffeurs einbringt. Ich sitze vorne und rauche. Die Mädels plappern irgendwelchen Unsinn, wie miserabel die Jury, wie unmöglich die Siegerinnen waren und so weiter. Anton sitzt dabei und nickt verständnisvoll. Eine Viertelstunde später halten wir vor meiner Haustür. Wir steigen aus, vernichten den letzten Champagner und versenken die leeren Gläser in einem Abfalleimer. Während Anton noch mit dem Fahrer verhandelt ( » Ich muss ihm Instruktionen für den Abend geben«), bestaunen die Mädchen unseren schicken Jeep, wobei sie sich Mühe geben, ihr Interesse nicht allzu deutlich zu zeigen. Endlich hat Anton alles geklärt, der gemietete Hummer verschwindet in der Nacht. Ich halte den anderen die Haustür auf, und wir beginnen den Aufstieg in meine Bude.
Oben angekommen kredenze ich erstmal reichlich Kaffee, Ruinart-Champagner und Weißwein. So sitzen wir eine ganze Weile zusammen und plaudern, bis wir alle zusammen feststellen, dass es so ja viel netter und gemütlicher ist als in irgendeinem sterilen Restaurant, zumal ich genügend Alk auf Lager habe. Ich bestelle per Telefon großzügig Sushi ( » Das ist der einzige akzeptable Sushi-Laden in ganz Moskau, Mädchen, aber kaum einer kennt ihn!«), und Anja sagt, es sei ja sowieso ganz gleich, wo man zusammensitzt, Hauptsache, man ist in netter Gesellschaft. (Ganz das naive Mädel vom Lande, wie niedlich!) Als das Sushi kommt, freuen sich die beiden wie Schulmädchen über die Zuckertüte. Begeistert machen sie sich über die mittelmäßigen Produkte eines nahe gelegenen pseudojapanischen Lokals her und zwitschern aufgeregt durcheinander, während Anton zu unser aller (das heißt vor allem meiner) Überraschung eine Reihe wirklich komischer Storys auflegt, kurzweilige Anekdoten aus dem Leben berühmter Filmschauspieler, Regisseure und Produzenten aus unserer geliebten Heimat und aus aller Welt.
Dann kommen wir noch einmal zurück auf die Miss-Wahl, und ich verspreche den Mädels hoch und heilig, im nächsten Jahr alles für sie zu regeln. Dabei entkorke ich die dritte Flasche Champagner. Bei frisch gefüllten Gläsern erläutern wir den beiden gestenreich die ihnen zugedachten Rollen in den Drei Schwestern, wobei sich herausstellt, dass Anton seinen Tschechow sogar kennt. Ich dagegen hatte noch nie was für die Klassiker übrig, deshalb schiebe ich skrupellos ein paar Szenen aus den Hexen von Eastwick dazwischen. Die waren ja auch zu dritt. Nach und nach belüften wir zwei weitere Flaschen Weißwein und erreichen endlich jenen traulichen Punkt, da keiner sich mehr darüber Gedanken macht, wessen Hand auf wessen Knie liegt. Jemand schlägt vor, Karten zu spielen, ein anderer, Musik anzumachen und zu tanzen. Aber für beides ist die Zeit inzwischen knapp, denn es ist halb zwei Uhr nachts und die Mädchen müssen bis zehn Uhr im Hotel sein. Als Natascha die letzte Flasche Pinot Grigio (von Livio Felluga, Friaul) umstößt und bei ihren ungeschickten Versuchen, sie aufzufangen, den Wein zuerst über sich selbst, dann gleichmäßig über alle verteilt, steigt die allgemeine Heiterkeit noch einmal kurz an. Anton erklärt laut, so etwas gelte in Filmerkreisen als gutes Omen, Natascha verkündet, sie müsse ins Bad, um ihr Kleid zu säubern, und Anja sagt schon seit einer halben Stunde gar nichts mehr, weil sie nur noch Anton anstarrt. Ich will allen vorschlagen, Brüderschaft zu trinken, aber stattdessen zeige ich Natascha das Bad. Irgendwann haben wir uns endlich paarweise auf meine beiden Zimmer verteilt. Meine Partnerin legt sich ins Bett, und bevor sie das Licht ausmacht, sagt sie noch:
» Ihr seid gute Jungs, Andrej, aber mit Film habt ihr absolut nichts am Hut. Und ein Produzent bist du schon gar nicht.«
» Was bist du nur für eine ungläubige Thomasine!«, rufe ich und hebe die linke Augenbraue.
» Echte Filmproduzenten schleppen nicht Gelegenheitsbekanntschaften in ihre Privatwohnungen ab. Nicht mal in Kemerowo.«
» In Kemerowo gibt es Produzenten?«, frage ich ehrlich verblüfft.
» Gibt es, Andrej. Sogar in Kemerowo. Aber sie gehen mit solchen Möchtegernschauspielerinnen wie uns erst ins Restaurant und dann in die Sauna.«
» Willst du wirklich Schauspielerin werden?«
» Ich will aus Kemerowo weg, egal wie, egal wohin«, antwortet sie melancholisch.
» Was hindert dich daran?«
» Der Mangel an geeigneten Produzenten«, sagt sie und lächelt bitter.
Hinter der Wand hört man jetzt typische
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