Neonträume: Roman (German Edition)
Beischlafgeräusche.
» Anja ist so ulkig«, bemerkt Natascha reserviert. » Meiner Meinung nach hat sie sich in deinen Freund verliebt, das Dummchen.«
» Warum Dummchen? Die Liebe ist doch etwas Wunderbares«, verkünde ich inbrünstig.
» Das stimmt«, seufzt sie. » Ich hätte mich auch in dich verliebt… fünf Jahre früher.«
» Ich persönlich habe mich auf den ersten Blick in dich verliebt«, behaupte ich.
» Das merkt man«, sagt sie und fährt mir mit der Fingerspitze über das Kinn. » Du bist ein hübscher Junge. Hast du eine Freundin?«
» Im Moment bin ich solo«, sage ich und fühle mich seltsamerweise ein wenig befangen.
» Sieh an, du kannst sogar rot werden.« Sie legt den Kopf zurück und lächelt. » Ja, ja, die Liebe… Alle Menschen brauchen Liebe, Andrej. Du brauchst sie, ich brauche sie… echte Liebe.«
» Aber bis wir die große Liebe finden, sollten wir wenigstens schon mal Liebe machen«, schlage ich vor.
» Bleibt uns etwas anderes übrig?«, fragt sie.
» Kaum«, antworte ich im Dunkeln.
Curriculu m vitae
(Zwei Monate später)
Um zwölf Uhr mittags springt die Zeituhr meiner Stereoanlage an. Drei Abende hintereinander habe ich ohne jeden Erfolg versucht, das Ding einzustellen, bis ich endlich eingesehen habe, dass es klüger ist als ich, und aufgab. Aber gestern muss ich wohl seltsamerweise alles richtig gemacht haben, oder das Ding hat es sich eben anders überlegt, kurz, die Anlage weckt mich mit einem schmutzigen Beat der Gruppe » Blutsturz«.
Ich bin in Moskau geboren, in den Siebzigern, irgendwo am Stadtrand, mir haben sie gleich ins Hirn geschissen.
Na bitte, wieder einmal hat der Mensch bewiesen, dass er klüger ist als die Maschine. Bei diesem optimistischen Gedanken schlage ich die Augen auf und steige ein ins Heute.
Dann Schule, Prügeleien, verpisste Schulklamotten, Patex.
Was dich nicht bricht, macht dich stärker.
Ich wäre auch gern stärker. Wirklich, ich bin aufgewacht mit dem Gefühl, total müde und erschöpft zu sein. Chronischer Schlafmangel? Zu wenig Sport? Zu wenig Sex? Oder bloß zu viel Alkohol und Drogen? Apropos, sind eigentlich noch Zigaretten da? Ah ja, da ist noch eine Schachtel. Rauchen Sie auch gerne im Bett? Ja, ja, ich weiß schon, Sie würden gerne, aber Ihre Frau lässt Sie nicht. Lässt sie Sie wenigstens ran? Tja. Ich persönlich habe ja keine Ehefrau. Und zwar aus drei Gründen:
Punkt eins: Überflüssig wie ein Kropf. (Das ist meine Privatmeinung.)
Punkt zwei: Ich fühle mich noch nicht befähigt zu einer ernsthaften Beziehung. Ich bin nicht bereit, Verantwortung zu übernehmen, weder für mich noch für einen anderen Menschen. (Das ist für die Presse.)
Anmerkung zu Punkt zwei: Wenn doch bloß jemand für mich die Verantwortung übernehmen würde! (Das ist für potentielle Sponsoren.)
Punkt drei: Sharon Stone ist schon vergeben. (Das gilt prinzipiell.) Oder ist sie schon wieder geschieden?
Aber ich schweife ab. Ich bin heute Morgen in einer merkwürdig lyrischen Stimmung. Ich zünde mir die erste Zigarette an. Ohhhhaaaao! Ein Gefühl, das nur mit dem Anrauschen der ersten Liebe in der Schulzeit zu vergleichen ist, mit dem ersten selbstverdienten Tausender. (Besser wären die ersten selbstverdienten Hunderttausend. Ich weiß zwar nicht genau, wie sich das anfühlt, aber bestimmt noch ein bisschen geiler als diese Zigarette.) Oder mit dem ersten Besäufnis. Also, ich liege einfach da, höre Musik, rauche. Geil.
Ich fing an zu klauen, in den Umkleidekabinen …
mit elf mein erster Fick …
Breschnew ist verreckt …
ich ging in die Muckibude
dann zur Armee …
» Geboren am Stadtrand von Moskau, in den Siebzigern…« Nein, das kann ich über mich nicht sagen. Dabei hat diese Zeit eine wahnsinnige Anziehungskraft auf mich. Ich würde gerne sagen können, ich sei ein Kind der Siebziger. Aber das geht leider nicht. Ich könnte natürlich meinen Pass verlieren und mir dann, mit Hilfe von reichlich Schmiergeld, ein paar neue Papierchen organisieren. Und dann würde ich allen Leuten weismachen, ich hätte mein Leben lang nur softe Gemüsesäfte und harte Drogen zu mir genommen, deshalb sehe ich mit meinen fünfunddreißig aus wie Mitte zwanzig. Das wäre ziemlich cool, aber andererseits müsste ich dann auch ständig dieses vermoderte Altmännergequatsche ablassen, Dünnschiss philosophieren und herumnölen, damals, zu meiner Zeit, sei alles, aber auch alles besser, krasser, geiler und witziger gewesen. Aber wozu soll ich
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