Neonträume: Roman (German Edition)
Bruder«, sagt Anton in entschuldigendem Ton. » Man kann sich seinen Namen nun einmal nicht aussuchen, nicht wahr.«
» Ihren Namen habe ich auch schon mal gehört«, echot die Zweite und sieht mich an.
» Na ja, wir sind in derselben Branche…« Mit einem schnellen Sprung zur Seite fische ich zwei Champagnergläser vom Tablett eines vorbeihuschenden Kellners. » Für Sie, meine verehrten Damen!«
» Oh, danke«, rufen sie im Chor.
» Und warum haben Sie so schrecklich geweint?«, frage ich die Brünette.
» Ach, schon vorbei«, lächelt sie und nippt an ihrem Glas.
» Nein, Natascha! Hast du gesehen, wer den ersten Platz bekommen hat? Die kann ja nicht mal richtig laufen! Ein totaler Trampel! Der sind doch ständig die Beine weggeknickt!«
» Das war Schiebung, hundertprozentig«, nickt Natascha. » Ich bin echt sauer.«
» Na, na, jetzt beruhigen Sie sich erst einmal«, besänftigt Anton. » Wären wir in der Jury, hätten wir auf jeden Fall Ihnen beiden den ersten Platz zugedacht, beiden gleichzeitig!«
» Ja wirklich! Ich glaube, ich werde morgen mal Sinelnikow anrufen und ihm zu verstehen geben, dass die Zusammensetzung der Jury reichlich daneben war.«
Bei Erwähnung des Namens des Präsidenten von Atlantik spitzen die beiden ihre Öhrchen.
» Andrej, ich bitte dich!«, wehrt Anton ab. » Ich habe letztes Jahr mit meinem Bruder in der Jury gesessen, da war es dieselbe Soße. Aber wir konnten uns nicht durchsetzen.«
» Das ist halt Showbusiness«, resümiere ich und breite resignierend die Arme aus. » Genug damit. Wir sollten lieber etwas unternehmen, um die Stimmung dieser reizenden Damen aufzuheitern. Guck doch mal, wie erschöpft sie sind!«
Als Erstes machen wir uns miteinander bekannt. Die Brünette ist Natascha aus Kemerowo, die blonde Anja aus Jekaterinburg. Die armen Mädchen haben sich so intensiv auf den Wettbewerb vorbereitet, dass sie sogar ihre Arbeitsstellen aufgegeben haben. (Anja ist Lehrerin und modelt nebenher ein wenig; Natascha war früher Model, dann Geschäftsführerin eines Supermarkts.) Wir füllen den beiden noch ein paar Gläser Champagner ein und erklären ihnen auf die Schnelle unser neues Filmprojekt mit dem Arbeitstitel Drei Schwestern. Die Hauptrolle, berichten wir, soll unser Superstar Anastasija Saworotnjuk spielen, » aber die Besetzung der beiden anderen Rollen verursacht uns noch ziemliche Magenschmerzen.« Wir schwafeln noch ein bisschen in halbauthentischem Branchenjargon herum, dann beschließen wir einträchtig, das Gespräch über die Mühsal der Filmschaffenden in ein Restaurant zu verlegen. Auf dem Weg müsse ich allerdings kurz bei mir zu Hause vorbeifahren ( » meine Papiere holen und mich umziehen«). Wir geleiten die Damen zur Garderobe. Während wir vor der Tür auf sie warten, besprechen wir die weitere Rollenverteilung.
Ein paar Minuten später wird unsere Debatte von einem legeren jungen Mann unterbrochen, dessen zerknitterter mausgrauer Anzug von einem Schildchen mit dem hübschen Wort » Veranstalter« verziert ist.
» Was geht hier vor?«, fragt er und kneift die Augen zusammen. » Wo wollen Sie hin? Die Veranstalter wünschen die Anwesenheit der Konkurrentinnen auf dem Sponsoren-Bankett!«
» Das sind keine Konkurrentinnen, sondern unsere Freundinnen«, antworte ich streng. Anton senkt die Stirn und schickt finstere Blicke unter seinen gerunzelten Augenbrauen hervor.
» Ihre Freundinnen?« Der Typ kramt in seinen Anzugtaschen, fischt eine Liste heraus und setzt sein Verhör fort. » Aus welcher Region?«
» Meine Freundin hat keine Region«, knurre ich und gehe drohend auf ihn los. » Seit wann erlauben sich sogenannte › Veranstalter‹, Angehörige des FSO einem Verhör zu unterziehen?«
» He, Männer, immer ruhig! Alles in Ordnung! Das hättet ihr doch gleich sagen können«, stammelt der Busche und stolpert zwei Schritte rückwärts.
» Deswegen sagen wir’s dir jetzt«, knurrt Anton.
Der Sicherheitsdienst des Präsidenten genießt ganz offensichtlich noch immer hohes Ansehen im Land.
In diesem Moment kommen die Mädels aus der Garderobe geflattert.
» Seid ihr fertig? Dann können wir ja los!«, ruft Anton ihnen entgegen. Der Knitteranzug tritt den Rückzug an. Wir schnappen uns die Mädchen und gehen schnell zum Ausgang. Anton ruft den Chauffeur an und gibt ihm Bescheid, dass wir die Brautschau verlassen möchten. Zwei Minuten später besteigen wir einen Hummer H2 und brausen los. Anton köpft die nächste Flasche
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