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Nephilim

Nephilim

Titel: Nephilim Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gesa Schwartz
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ein leichtes Ziehen in seinem Arm, als er in die Nacht schaute. Mit seiner Entscheidung, Antonio in die Unterwelt Roms zu folgen, hatte er mehr zurückgelassen als seine Familie und seine Freunde. Er hatte sich auch von etwas verabschiedet, das ihm nun, da er es nicht mehr besaß, auf seltsam befreiende Art bewusst wurde: den Irrglauben, dazuzugehören. Niemals, seit er denken konnte, hatte er einen Platz in der Welt gehabt, und erst nun, da Bantoryn ihm nah gekommen war, nun, da er verborgen von einem Zauber mitten in der Welt der Menschen stand, fühlte er sich ein wenig heimisch in ihr.
    Ein Geräusch in der Nähe ließ ihn den Blick wenden. Die Ruinen waren mit vereinzelten Fackeln versehen worden und vom Haus der Vestalinnen aus gut zu überblicken, obgleich Nando selbst vollständig in den Schatten verschwunden war. Doch er wagte kaum zu atmen. Sein Blick glitt suchend über die Via Sacra und hinüber zu den Überresten der Basilica Aemilia, aber er bemerkte nichts Verdächtiges. Angespannt lauschte er, ob er einen der anderen Novizen in der Nähe ausmachen konnte. Drengur hatte mehrere Klassen in das Forum geführt und sie dort jeweils in zwei Gruppen eingeteilt: Die meisten hatten die Anweisung erhalten, sich im Forum zu verstecken. Drengur hatte ihre Magie gebannt und ihnen den Befehl gegeben, sich wie Schwerverletzte erst von der Stelle zu bewegen, wenn sie gefunden worden waren. Mit dieser Aufgabe waren die übrigen Novizen betraut worden: Als sogenannte Sucher sollten sie die scheinbar verwundeten Nephilim finden und sie sicher zum nächstgelegenen Portal zu Füßen des Triumphbogens des Septimus Severus bringen. Nando bewegte langsam die Finger seines metallenen Arms. In seiner Klasse war neben ihm selbst Paolo als Sucher ausgewählt worden. Grundsätzlich wäre diese Aufgabe kein Problem gewesen, wenn da nicht …
    Weiter kam er nicht. Eine schwache Erschütterung ging durch die Luft. Gleich darauf erstarrte sein Gedanke wie gefrorener Rauch, und eine geisterhafte Gestalt trat hinter dem Rundtempel der Vesta hervor. Sie schwebte auf die Quelle der Juturna zu. Nando wartete einen Moment, ehe er Atem holte.
    … wenn da nicht die Vestalinnen gewesen wären, die Priesterinnen des Heiligen Feuers, die vor langer Zeit in den Mauern des Forums gelebt und sie auch nach ihrem Tod nicht verlassen hatten. Ihre ebenmäßigen und makellosen Körper, die sie in Stolen gehüllt hatten, waren von durchscheinender Blässe, ihre Haare fielen in sechs Zöpfen auf ihre Rücken hinab. Nando hatte Bilder der Vestalinnen in seinen Büchern gesehen, er wusste, dass sie innerhalb ihres Forums über große Macht verfügten, und nicht nur einmal hatte er die Nebelaugen der Geisterfrauen gesehen, die sich ganz plötzlich in funkelnde Scherben verwandeln konnten, um die Finsternis zu durchdringen und jedem Sterblichen die Gedanken zu Flocken aus Schnee zu zermahlen. Die Vestalinnen, so hatte Antonio es ihm erzählt, waren ruhelose Seelen, Heimatlose, die den Sturm der Ewigkeit ertrugen und ihn mit einem einzigen Blick ins tiefste Innere ihrer Opfer brechen lassen konnten, bis nichts mehr von ihnen übrig war als Asche und Staub.
    Nando beobachtete, wie die Vestalin sich der Quelle näherte und dann in Richtung der Curia Iulia entfernte. Noch durfte er sein Versteck nicht verlassen. Die Vestalin war ihm zu nah, sie würde jede seiner Bewegungen fühlen. Doch er musste sich beeilen, um die scheinbar verwundeten und geschwächten Nephilim zu finden, ehe die Vestalinnen es taten. Denn diese standen zwar in ebenso enger Freundschaft zu Antonio wie Matradon, doch ihr Blick war, wenn auch nicht mit Tötungssabsicht eingesetzt, doch so schmerzhaft wie ein heftiger Schauer aus Nadeln auf nackter Haut, und nicht selten quälten die Opfer noch monatelang Albträume nach dem Blick in diese Augen. Mit finsterer Miene dachte Nando an den Schmerz, den Matradons Stachel ihm zugefügt hatte. Er konnte sich Angenehmeres vorstellen, als auch noch mit der Magie einer Vestalin in Berührung zu kommen. Zahlreiche Nephilim hatte er bereits gefunden und sicher zum Portal gebracht, doch noch weitere befanden sich im Verborgenen zwischen den Ruinen, und nun harrte er bereits seit einer gefühlten Ewigkeit in seinem Versteck aus, um eine Entdeckung durch die Vestalinnen zu vermeiden, die plötzlich hinter den Mauerstücken und Kuppeln auftauchten und ihre wachsamen Blicke über ihr Forum schickten.
    Regungslos folgte er den fließenden Bewegungen der

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