Nephilim
schoss aus seiner Hand. Donnernd schlug er den Harpyien entgegen und hüllte sie in knisternde Flammen. Er nahm den Geruch verbrannter Haut war, roch den Gestank von verkohltem Fleisch, und er hörte nicht ohne Genugtuung das dumpfe Geräusch der toten Körper, die auf den Asphalt fielen. Seine Flammen erloschen, sie gaben den Blick frei auf zusammengeschnurrte Leiber, die reglos am Boden lagen. Nur vereinzelt tanzte das Feuer über sie hin, als wollte es ihnen zeigen, wie leicht es mit ihnen fertig geworden war.
Nando hörte den Pfeil nicht kommen. Er spürte ihn erst, als er in seine Schulter eindrang und das lähmende Gift der Engel in seinen Körper schickte. Von der Wucht des Aufpralls wurde er gegen die Wand geschleudert, sein Kopf schlug gegen die Steine, und er sah den Schatten nur verschwommen, der vor ihm landete. Ein ebenmäßiges Gesicht schob sich aus der Dämmerung der Gasse, ein Gesicht mit spöttischem Ausdruck auf den Lippen und reglosen goldenen Augen.
»Avartos«, flüsterte Nando, und der Engel lächelte.
»Teufelssohn«, erwiderte er.
Nando ballte die Faust und warf ihm einen Flammenzauber entgegen, als Avartos sich anschickte, näher zu kommen, doch der Engel bewegte nur einen Finger, und das Feuer schlug im Boden ein, ohne ihn auch nur berührt zu haben.
»Mein Gift lähmt dich«, sagte er beinahe freundlich. »Es hat sich längst um deine Magie gelegt. Nun kriecht es durch deine Eingeweide bis zu deinem Herzen, deiner Kehle, und schließlich wirst du halb erstickt zu meinen Füßen liegen und röcheln wie ein sterbender Hund.«
Als hätten seine Worte den Befehl dazu gegeben, zog ein stechender Schmerz durch Nandos Brust. Stöhnend krümmte er sich zusammen und krallte die linke Hand in die Mauer hinter sich, um nicht umzufallen.
»Seit Jahrhunderten war ich auf der Suche nach Bantoryn«, fuhr Avartos fort. Er trat näher, fast beiläufig ließ er seinen Blick über sein Opfer schweifen. »Ja, ich suchte lange nach der Stadt jenseits des Lichts. Doch erst durch dich ist es mir gelungen, sie zu finden. Ist das nicht erstaunlich?«
Nando stöhnte unter der Kälte des Gifts, das in seinen Körper drang, und überlegte fieberhaft, wann der Engel ihm aus der Oberwelt nach Bantoryn hätte folgen können, doch ihm fiel keine Situation ein.
»Ich habe dich nicht hierher geführt«, brachte er hervor, doch Avartos hob gelangweilt die Brauen.
»Natürlich nicht«, erwiderte er und sah mit sichtbarer Verzückung zu, wie Nandos Haut sich vom Pfeil ausgehend schwarz verfärbte. »Man kann über den Höllenfürsten sagen, was man mag, doch dumm ist er nicht. Es liegt nicht in seinem Interesse, dass sein Sprössling einem Engel in die Hände fällt. Doch die Nephilim waren schon immer ein tückisches Volk, verschlagen, wankelmütig, verführbar. Es brauchte nicht viel, um einen deiner Feinde auf meine Seite zu bringen – nur ein wenig Maskerade, das war alles, und ein Versprechen von scheinbar besseren Zeiten. Schon plauderte er über die Geheimnisse dieser Stadt, als spräche er übers Wetter. Er muss dich wirklich gehasst haben. Nun, vielleicht ist dies die einzige Art, wie man einem Teufelskind begegnen kann, nicht wahr?«
Nando hustete, als die Kälte des Gifts sich in dunklen Strömen um seine Kehle legte, und Übelkeit stieg in ihm auf, als Paolos Bild seine Erinnerungen durchbrach. Er hatte die Stadt der Nephilim verraten, er hatte sich seinem Hass verschrieben und alles getötet, was Bantoryn einst begründet hatte. Nando schauderte, als er an das zornverzerrte Gesicht Paolos dachte, und er begann zu zittern, als die Worte von Avartos sich in seinen Gedanken wiederholten: Doch erst durch dich ist es mir gelungen, sie zu finden . Der Engel hatte recht. Paolo hatte ihn aus tiefstem Herzen verabscheut. Niemals hätte er unter anderen Umständen die Stadt jener verraten, die ihm ein Zuhause geboten hatten.
Da trat Avartos den letzten Schritt auf ihn zu. Abwehrend hob Nando die Hand, auch wenn er wusste, dass sein Donnerzauber unter dem Einfluss des Gifts kaum noch etwas ausrichten konnte. » Es liegt nicht in seinem Interesse, dass sein Sprössling einem Engel in die Hände fällt« , wiederholte er Avartos’ Worte. »Was meinst du damit?«
Der Engel stieß verächtlich die Luft aus. »Hältst du mich für blind und taub? Glaubst du allen Ernstes, dass ich auf deine Spielchen hereinfallen würde, ich, der Meister der Tarnung?« Er schob das Kinn vor und schaute Nando von oben herab an wie
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