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Nephilim

Nephilim

Titel: Nephilim Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gesa Schwartz
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dass du nicht die Stimme des Teufels bist, die dich verlocken will, und ich habe gesehen, dass du in deinen Gedanken gegen den mächtigsten Dämon der Welt bestanden hast. Aldros ist den falschen Weg gegangen, doch du bist nicht an sein Schicksal gebunden, und oft genug hast du bereits deine Stärke bewiesen. Nichts spricht gegen dich, Nando, gar nichts – außer du selbst.« Sie hielt kurz inne. »Mein Vater starb in den Flammen desjenigen, der sein Retter hätte sein können. Wie viele Nephilim sollen noch vernichtet werden, weil du es nicht versuchen willst?«
    Sie fragte das leise, doch ihre Worte waren so eindringlich, dass Nando den Blick abwandte. Er schaute auf Olvryons Träne und drehte sie zwischen den Fingern. »Du setzt deine Hoffnung in mich. Aber woher willst du wissen, dass ich es wert bin? Ganz unabhängig davon, dass ich niemals gegen den Teufel bestehen würde – was, wenn ich ihm außerdem ähnlicher bin, als du denkst? Ich würde meine Stärke vollständig ausbilden müssen, um mich ihm stellen zu können. Doch was würde aus mir werden, wenn ich diesen Weg ginge?« Er legte die Träne des Ovo auf seine ausgestreckte Hand und hielt sie Noemi hin. »Diese Träne erinnert mich immer daran, dass es nur ein feiner Unterschied ist zwischen Fliegen und Fallen. Ich drehe das Bild, doch ich weiß nicht, welche Seite die richtige ist.«
    Noemi streckte die Hand aus, für einen Augenblick flackerte ein Schatten über ihr Gesicht, der Nando so fremd an ihr erschien, dass er erst erkannte, was er war, als sich ihre Finger auf seine Hand legten: Es war Furcht. Doch gleich darauf verschwand der Schatten von Noemis Gesicht. Sie schloss seine Finger fest über der Träne Olvryons und sah ihn an, ohne ihre Hand zurückzuziehen.
    »Beide sind richtig«, flüsterte sie. »Beide Seiten sind ein Teil von dir. Du wirst lernen, damit zu leben, Nando – wie alle, die zwischen Licht und Finsternis stehen.«
    Nando wollte sich abwenden, aber sie ließ seinen Blick nicht los. Er erinnerte sich an das Gefühl des Schwebens in Olvryons Finsternis, aber er spürte auch den Schrecken, der ihn durchfahren hatte, als er nicht mehr gewusst hatte, ob er flog oder fiel. »Was, wenn du dich irrst?«, fragte er unwillig. »Was, wenn ich die andere Seite der Münze bin, Noemi, und nur sie? Was dann?«
    Da verstärkte sie den Druck ihrer Hand, und ein Kälteschauer flutete seinen Körper, der sich hinter seine Stirn legte und jeden Kopfschmerz mit sich nahm.
    »Dann wirst du fallen«, erwiderte sie, und er fühlte, wie das Grün ihrer Augen ihn umfloss. »Und ich mit dir.«
    Ihr Haar umrahmte ihr Gesicht, der Wind verfing sich darin, und sie stand reglos da, die Hand auf seine Faust gelegt und mit diesem Ausdruck in den Augen, der rätselhaft und wärmend zugleich war und der ihm ein Gefühl gab, das er seit ewiger Zeit nicht mehr empfunden hatte. Ihr Haar berührte seine Wange, es war zart und kühl wie der Nebel Olvryons, und er nahm die Erschütterung kaum wahr, die auf einmal die Brücke zum Beben brachte. Doch plötzlich hörte er den Donner, es war ein Tosen, als würde die Welt auseinanderbrechen. Noemi schrie auf, Nando folgte ihrem Blick und sah, wie sich ein gewaltiger Riss durch die Decke zog, ein Riss wie ein Abgrund, und aus ihm stürzte eine Armee aus Engeln. Auf geflügelten Pferden, gerüstet mit prunkvollen Harnischen, rasten sie auf die Stadt zu, die Schwerter zum Angriff gestreckt, und als Nando ihre Gesichter sah, reglos und mit flammender Verachtung in den Augen, da wusste er, dass er nicht träumte. Die Engel hatten Bantoryn gefunden.

42
    Ein Flammenwirbel schlug direkt neben Nando ein und riss Noemi und ihn von den Füßen. Eilig rappelten sie sich auf und legten einen Schutzwall über sich. Die Brücke bebte unter den Einschlägen mächtiger Zauber, nur mit Mühe konnten sie sich am Geländer festhalten, und doch wehrte sich alles in Nando dagegen, dieses Szenario als real zu begreifen.
    Als Meer aus silbernen Leibern strömten die Engelsscharen auf die Stadt zu. Die ersten hatten die Dächer des Flammenviertels fast erreicht, als die Sirenen Bantoryns mit voller Kraft ertönten, heulend und durchdringend wie ein gigantisches Wolfsrudel. Grollend nahmen die Generatoren ihren Dienst auf und errichteten mehrere Schutzwälle, die in schwarzen, grünen und roten Flammen zur Decke hinaufschossen und sich als schützende Kuppeln über die Stadt legten. Sämtliche Engel, die durch den Riss nachdrängten, prallten

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