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Nephilim

Nephilim

Titel: Nephilim Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gesa Schwartz
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es dem Engel in die Finsternis gelegt wie ein Geschenk aus Licht. Der Teufelssohn hatte keinen Zorn empfunden, keine Genugtuung, keinen Schrecken. Er hatte in Avartos’ Finsternis geblickt, eine Dunkelheit, die jeden anderen vermutlich um den Verstand gebracht hätte, hatte ruhig hineingesehen und nichts empfunden als – Mitgefühl.
    Die Erkenntnis flutete Avartos, er spürte, wie das Licht sich vollends entfachte, wie es die Finsternis zerriss und ein Bild zu ihm zurücktrug, das Bild einer Frau an einem offenen Fenster. Er sah, wie sie sich zu ihm umwandte, hörte seinen Namen auf ihren Lippen, und als seine Brust sich zusammenzog, widerstand er nicht länger. Er fiel auf die Knie, den Blick zur steinernen Decke der Höhle gerichtet. Er fühlte die Schreie der Engel und Nephilim um sich herum tosen wie ein sturmgepeitschtes Meer, sie wurden ein Teil von ihm, jede Stimme, jede Träne, jeder Schrei.
    Für einen Augenblick blieb er regungslos. Dann holte er Atem, und Avartos Palium Hor, der Krieger und Jäger, Avartos, das Geschöpf aus Sehnsucht und Eis, Avartos, der Engel, barg das Gesicht in den Händen und weinte.

44
    Nando landete am Rand des Sternenplatzes. Keuchend drückte er sich gegen eine Hauswand, der Himmel über ihm schwirrte vor Engelsleibern, als würden Wellen aus Nacht über Bantoryn hinwegrasen, und blaue Funken wurden von den berstenden Portalen in die Dunkelheit geschossen. Nur einige wenige waren noch übrig und das größte, jenes, das den Mal’vranon eingehüllt hatte, sandte noch immer seinen flackernden Schein aus den Ruinen der Akademie. Es war nicht weit von Nando entfernt, er konnte Antonio sehen, der es mit aller Kraft aufrechterhielt. In rasender Geschwindigkeit schlug sein Mentor die Angriffe der Engel zurück und gab den Nephilim Deckung, die von allen Seiten auf ihn zustürzten. Die Garde Bantoryns stand ihm bei, ebenso wie die metallenen Engel von Morpheus, und Nando sah Drengur mit Althos unter ihnen und Noemi, die in einer Reihe mit den Rittern der Garde durch die Luft eilte.
    Doch die Engel waren übermächtig. Sie schickten Flammenzauber auf die Nephilim herab, donnernd schlugen sie in den Boden ein, sprengten die Steine auseinander und verkohlten mehrere Ritter zu Asche. Speere aus Licht bohrten sich in die Rücken der Fliehenden, und immer wieder stießen Engel aus dem tosenden Meer herab und rissen Einzelne aus den Armen jener, die sie retten wollten. Viele Nephilim waren durch Bannzauber der Kraft ihrer Schwingen beraubt worden, andere waren schwer verwundet, doch Nando bemerkte den Zorn in ihren Augen, die Verzweiflung und den Unwillen, sich vor den Engeln auf die Knie zu werfen. Bantoryn war ihre Stadt, das las er in ihren Gesichtern, er sah es in jedem Händepaar, das sich ineinander verschlungen hatte, und hörte es in jedem Zauber, den die erschöpften Nephilim gegen ihre Feinde wirkten.
    Er holte Atem, und mit einem Schrei stürzte er sich vor, mitten hinein in den tosenden Himmel. Außer sich riss er sein Schwert in die Luft, Funken sprühten, als er die Klinge mit schwarzen Flammen überzog, und er schlug auf die Engel ein, während er mit der anderen Hand Donnerzauber gegen seine Feinde warf und sie gegen die Hauswände schleuderte. Atemlos wich er ihren Angriffen aus, erhielt seinen Schutzwall aufrecht und schlug ihnen Flammenzauber entgegen, dass ihre verkohlten Leiber auf die Dächer Bantoryns hinabstürzten. Doch kaum dass er eine Bresche in ihr Heer geschlagen hatte, drängten sofort weitere nach. Markerschütternd zerrissen die Schreie der Nephilim die Luft, Engel zerrten sie mit sich fort und erschlugen sie mit der bloßen Faust, dass ihr Blut auf Bantoryns Straßen niederfiel wie Regen. Nando roch den Gestank von Metall, Feuer und Blut, er sah, wie die Nephilim vergebens versuchten, sich gegenseitig zu verteidigen, sah sie um ihre Kinder kämpfen, um die Stadt, die sie mit eigenen Händen errichtet hatten, und er sah den Schmerz in ihren Augen, als ihnen bewusst wurde, dass Bantoryn verloren war.
    Wie ein Faustschlag traf Nando diese Erkenntnis, schwer atmend landete er in einer Nische zwischen zwei Häusern und schaute hinaus auf das Schlachtfeld, in das Bantoryn sich verwandelt hatte. Niemand würde die Nephilim vor dem Zorn der Engel bewahren, niemand würde sie vor dem Tod retten, auch er selbst nicht, es sei denn … Er spürte sein Herz so heftig in seiner Brust, dass es wehtat. Für einen Moment hörte er ein Scherbenlachen aus der Finsternis, das

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