Neptuns Tochter 1
größere Wirkung«, sagte sie, ging zu Petra Lorentz und nahm sie zum Beweis kurz in den Arm.
»Nennen Sie mich nicht immer Jeannie«, moserte Petra halb ernst. »Jetzt sehen Sie, dass Sie wieder an die Arbeit kommen.« Sie deutete mit dem Kopf Richtung Tür. »Timea will langsam Fortschritte sehen.«
Mika blieb stehen. »Hat sie was gesagt?«
»Nun ja«, erwiderte Petra, »es ist ihr halt aufgefallen, dass ihre Großmutter seit zwei Wochen über das Jahr 1950 spricht.«
»Na und?«, meinte Mika. »Es ist doch Adrienns Sache, wie lange sie sich mit einem Jahr beschäftigt. Ich wüsste nicht, dass in meinem Arbeitsvertrag irgendwo steht, dass ich meine Chefin zur Eile anhalten soll.«
»Jetzt beruhigen Sie sich.« Petra legte eine Hand auf Mikas Schulter. »Timea steht eben enorm unter Druck.«
»Das mag ja sein.« Mika wollte sich nicht beruhigen. »Da kann aber ich nichts für.«
Zu Adrienn und Petra hatte Mika schnell einen Draht gefunden. Aber Timea Illay behandelte sie, abgesehen von diesem einen Tag, mit nahezu gleichmäßiger Kälte. Das Schlimme war, dass Mika deshalb oft nachts nicht schlafen konnte. Sie arbeitete gern mit Adrienn zusammen. Von Tag zu Tag lieber. Und an jedem dieser Tage freute sich Mika auch darauf, Timea vom vergangenen Tag zu erzählen. Die wenigen Minuten in deren Büro wurden Mika immer wichtiger. Auch wenn Timea selbst kaum sprach. Ab und zu stellte sie eine kleine Frage. Ihre Lippen kräuselten sich, wenn sich Mika mal wieder verhaspelte. Was für Mikas Geschmack zu oft passierte. Aber ansonsten hörte Timea Illay nur zu. Und ganz selten hatte Mika den Eindruck, dass Timeas Blick ein klein wenig versonnen auf ihr ruhte. Das waren flüchtige Momente, die sie sich vermutlich nur einbildete. Wieso sollte Timea Illay sie auf diese Art anschauen? Spätestens, wenn sie Mika dann mehr oder weniger aus dem Büro warf, war wieder alles klar. Bis zum nächsten Tag.
»Natürlich können Sie nichts dafür«, stimmte Petra zu. »Aber wie gesagt, es ist zurzeit nicht leicht für sie.«
Mika schloss die Küchentür von innen. »Ihr immer mit euren Andeutungen.« Sie verschränkte die Arme vor der Brust. »Wenn ihr feinen Leute mal sagen würdet, wo der Schuh drückt, kann man euch auch helfen.«
Eine Sekunde lang sah es aus, als wollte Petra etwas sagen. Aber sie schüttelte nur den Kopf. »Das ist nicht Sache der Angestellten, Mika.«
»Sie mögen die Damen Illay doch, Petra?« Vielleicht bekam Mika auf dieser Schiene Antworten.
»Natürlich. Schließlich arbeite ich schon seit bald dreißig Jahren für sie.«
»Gut«, meinte Mika. »Wenn man jemanden mag, dann will man doch, dass es ihr gut geht, oder?«
Petra Lorentz schmunzelte. »Sie wollen mich aushorchen.«
»Gelingt es mir denn?«, fragte Mika unschuldig.
»Diese Frage müssten Sie sich selbst beantworten können«, erwiderte Petra immer noch schmunzelnd. Dann wurde sie ernst. »Ich weiß, dass Sie unglücklich sind. So wie Timea Sie behandelt. Aber sie kann eben nicht aus ihrer Haut.«
»Das hat Adrienn auch schon gesagt, hilft mir aber nicht weiter«, murmelte Mika. Seufzend machte sie sich auf den Weg zu ihrem Arbeitsplatz.
Die Situation mit Timea zermürbte Mika tatsächlich immer mehr. Sie merkte, dass sie anfing, viel zu viel für Timea Illay zu empfinden. Eine Frau, die ihre Gefühle mit Füßen treten würde. Die wahrscheinlich so was von hetero war, die irgendwie mit diesem Ekelpaket Hampf verbandelt war. Für die jemand wie Mika sowieso nicht auf demselben Niveau war. Für die sie gerade mal zehn Minuten pro Tag opfern wollte. Und das nur, weil sie Mika nicht über den Weg traute. Nein, Mika sollte sich Hoffnungen, die diese Frau betrafen, sofort aus dem Kopf schlagen.
Soweit ihre Vorsätze. Dummerweise hatte ihr Herz dabei seinen eigenen Kopf. Es klopfte immer schneller, wenn die Uhr knapp vor fünf stand. Es verkrampfte sich, wenn Timea Illay wie ein Eisblock vor ihr stand. Mika litt und konnte nichts dagegen tun. Außer zu kündigen. Und das hätte neben den Herzschmerzen auch finanzielle Folgen gehabt. Das konnte sie zu diesem Zeitpunkt nicht riskieren. Schließlich bezahlte ihr Adrienn ein recht gutes Gehalt. Einen kleinen Teil davon konnte Mika sparen. Das war nötig, weil der Job zeitlich begrenzt war. Außerdem brauchte sie ein Polster, falls sie doch vorzeitig das Handtuch werfen sollte.
»Sie sind heute nicht ganz bei der Sache, Mika«, sagte Adrienn. Erst jetzt merkte Mika, dass ihre Hände wie Adler
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