Neptuns Tochter 3
machte Mika vor der Tür. Sie breitete die Arme aus. Wie jemand, der nach Stunden der Finsternis endlich wieder Tageslicht und Sauerstoff um sich hatte. Sie hätte sich auch noch im Kreis drehen können. Allein der strafende Blick ihrer Mutter hinderte sie daran.
»Wenn ich dein Verhalten richtig deute, dann willst du bei deiner Hochzeit kein Kleid tragen.«
»Ich will nicht einmal heiraten«, murmelte Mika, ohne die Lippen zu bewegen.
»Hör auf zu nuscheln. Das kann ja kein Mensch verstehen«, ermahnte Patrizia David ihre Tochter.
»Ich hasse Kleider, Mama. Das weißt du«, schimpfte Mika. »Wenn es sich also irgendwie vermeiden lässt . . .«
»Keine Chance«, nahm Patrizia David ihrer Tochter jede Hoffnung. »Deine und Franks Hochzeit ist ein gesellschaftliches Ereignis.« Die Mutter ließ ihren Blick über Mikas Aufmachung wandern. »Da kannst du nicht in zerrissenen Jeans und kariertem Hemd auftauchen.« Ihre Lippen bewegten sich mit einem Mal unruhig hin und her. »Wobei . . . bei dir würde das niemanden wundern.«
Grinsend hakte sich Mika bei ihrer Mutter ein. »Dann ist ja alles klar, und wir können uns den wirklich wichtigen Dingen des Lebens widmen.«
»Die da wären?«
»Was für eine Frage.« Mika führte ihre Mutter die Einkaufspassage hinunter auf ein Café zu. »Kaffee und Kuchen natürlich.«
Bereits beim Betreten des Cafés hielt Mika Ausschau nach der Kuchentheke. Sie hatte heute Lust auf eine üppige Schwarzwälder Kirschtorte. Nun – nicht gleich die ganze Torte. Ein Stück reichte auch. Und vielleicht noch drei bis elf von diesen Quarkbällchen.
Ihre Mutter schüttelte den Kopf, als Mika ihre Bestellung aufgab. »Du weißt, dass es heißt: Eine Sekunde auf der Zunge, ein Leben lang auf den Hüften.«
Mika hob die Achseln. »Da ich deine Gene habe, muss ich mir darüber keine Gedanken machen.« Tatsächlich war Mika ein Abziehbild ihrer Mutter. Außer, dass die immer wie aus dem Ei gepellt aussah. Aber ansonsten. Dieselbe zierliche Figur. Meergrüne Augen. Fast identische Haarlänge und -farbe. Patrizia David hatte es nicht nötig, die Haare zu färben. Es glänzte nach wie vor in einem Braunton, der je nach Lichteinfall blond bis hin zu Haselnussbraun wirken konnte.
»Apropos Gene«, sagte Patrizia David und lenkte damit die Aufmerksamkeit ihrer Tochter auf sich. »Habt du und Frank eigentlich Kinder geplant?«
Ein Krümel des Kuchens geriet Mika in die Luftröhre. Der Hustenanfall war die logische Folge. Und die Tränen in den Augen. Es dauerte, bis Mika wieder normal atmen konnte. Wobei es in ihrem Hals noch fürchterlich kratzte. »Nein«, brachte sie gerade so heraus.
»Geht’s wieder?«, fragte ihre Mutter. Sie hielt ihr ein Glas Wasser hin und wartete.
In kleinen Schlucken trank Mika das Glas leer. Zwischendurch nickte sie.
»Also, Mika«, nahm Patrizia die Unterhaltung wieder auf. »Lassen wir das mit den Kindern mal beiseite. Aber du heiratest ja jetzt einen Mann – warum auch immer. Was ich damit sagen will: Falls du ein paar Tipps für eine gute Ehe brauchst . . . Ich bin jederzeit für dich da.«
»Was soll das werden?«, fragte Mika. »Ein voreheliches Mutter-Tochter-Gespräch?«
»So etwas in der Art. Ja.«
Mika schob den leeren Teller zur Seite und stützte den Kopf auf der Handfläche ab. »Dann leg los«, forderte sie ihre Mutter auf. »Ich meld’ mich, wenn ich was nicht verstehe.«
Patrizia David nahm die Haltung einer dieser Talkshow-Gastgeberinnen im Fernsehen ein. »Vorhin«, fing sie genauso an, »in der Boutique. Hast du da eine Nachricht von Frank bekommen?«
Kurzfristig verlor Mikas Kopf seine Stütze. Mika tat, als wäre nichts geschehen, rieb sich den Nacken – alles völlig harmlos, versteht sich – und ließ sich etwas tiefer in die gepolsterte Bank sinken. »Nein«, antwortete sie, während sie ihren Blick durch das Café wandern ließ.
»Das hätte mich auch gewundert«, murmelte die Mutter. »Denn so wie du gestrahlt hast, muss die Nachricht von jemandem gewesen sein, der dir sehr viel bedeutet.«
»Das war sie auch«, entfuhr es Mika, bevor sie darüber nachdenken konnte. Das Denken kam unmittelbar danach. Und jetzt? Wie kam sie aus der Nummer wieder raus? Vielleicht hatte ihre Mutter nichts bemerkt, und Mika zermarterte sich umsonst das Hirn.
Klar doch. Weil Mama so Sachen grundsätzlich überhört, dachte Mika. Und als Nächstes wird sich Vater an einer Aktion gegen ›Profitgier auf Kosten der kleinen Leute‹
Weitere Kostenlose Bücher