Neptuns Tochter 3
angespannten Haltung.
»Vielleicht tue ich das«, meinte Timea geistesabwesend. Bestimmt tat sie das. Leider. »Das bedeutet dann, dass sie sich in etwas eingemischt hat, was sie nichts angeht«, erklärte Timea ihrer Großmutter.
»Timea! Verdammt!«, brach das gesamte ungarische Temperament aus Adrienn Illay heraus. »Wenn man jemanden liebt, geht einen alles etwas an.«
»Wenn man jemanden liebt, mischt man sich nicht ungefragt ein«, hielt Timea dagegen.
»Ist es das, was du ihr vorwirfst?«, ereiferte sich die Großmutter.
»Ja!«, schrie Timea förmlich. »Wir verbringen eine wunderschöne Nacht miteinander, und sie rauscht am Morgen einfach davon. Mit ein paar vagen Andeutungen. Tagelang höre ich nichts von ihr, bis ich aus irgendeiner Zeitung erfahren muss, dass sie heiratet. Sie zieht ihr Ding durch. Einfach so. Kein: Wir finden gemeinsam eine Lösung. « Timea spürte, wie ihre Wut mit dem letzten Satz verpuffte.
»Darum verschweigst du ihr auch, dass wir umziehen«, erkannte Adrienn Illay leise. »Du willst sie bestrafen.«
»Kann sein«, gab Timea ebenso leise zu.
»Weil sie dich nicht nach deiner Meinung gefragt hat.«
Timea nickte und fügte ein knappes »Ja« hinzu.
»Du vergisst dabei aber eines, Liebes«, sagte die Großmutter heiser.
»So?«
»Mika liebt dich.«
»Das macht es noch schlimmer«, erklärte Timea.
Seit Timeas Ausbruch hatte ihre Großmutter sich nicht bewegt. Nun fuhr sie sich leicht zitternd durch das Haar. »Warum dann die Affäre?«
Timea schwieg. Sie war geschockt über das, was sie eben von sich gegeben hatte. Dinge, die ihr nicht bewusst gewesen waren. War sie tatsächlich so wütend auf Mika? War sie tatsächlich so verletzt? Sie schluckte. Ja und ja. Darum war ihre Entscheidung richtig. Timea wollte keine Beziehung, in der ihre Wünsche nichts zählten. Auch wenn die Motive für Mikas Handeln auf Liebe basierten – sie hätte Timea fragen müssen.
»Liebes. Ich habe dich etwas gefragt«, erinnerte Adrienn Illay ihre Enkelin.
»Keine Ahnung, warum«, antwortete Timea wahrheitsgemäß. »Vermutlich, weil ich in ihrer Gegenwart alles vergesse. Da gibt es nur noch uns beide. Sonst nichts.«
»Weil du sie liebst«, bekräftigte die Großmutter zum wiederholten Mal. »Gib es doch endlich zu.«
»Ich gebe gar nichts zu«, widersprach Timea sofort. »Kann sein, dass ich ein wenig in sie verliebt bin. Weil sie wie ein Wirbelwind durch mein Leben braust. Aber . . .« Timea überlegte sich den nächsten Satz genau. »Wirbelwinde neigen dazu, Trümmerfelder zu hinterlassen.«
Adrienn Illay wirkte betroffen. »Das traust du ihr zu?«
»Sie tut das bestimmt nicht mit Absicht«, räumte Timea ein. »Ich hätte halt gern wieder mehr Ruhe in meinem Leben.«
»Wie alt bist du denn?«, meinte die Großmutter schnippisch.
»Lass gut sein, Nagyi«, winkte Timea ab. »Wenn ich mich heute Abend mit Mika treffe«, erklärte sie, »werde ich ihr sagen, dass wir uns besser nicht mehr wiedersehen.« Für einen Atemzug ließ sie den Schmerz zu, der durch sie hindurchfuhr. Dann hatte sie sich wieder im Griff. »Was anderes«, wechselte sie vorsichtshalber das Thema, »Werner Grossmann hat gesagt, dass er mit Großvater zu tun gehabt hat. Hast du das gewusst?«
Das Gesicht von Adrienn Illay war abgewandt. Lange. Viel zu lange. Timea erkannte, dass sie ihre Großmutter enttäuscht hatte. Zum ersten Mal, seit sie denken konnte. »Nagyi«, flüsterte sie.
Adrienn Illay drehte sich nun doch zu ihrer Enkelin. Aus ihrer Haltung sprach die Gräfin Illay. »Ich habe seinen Namen vorher nie gehört«, unterstrich sie. »Wieso ist das wichtig?«
»Ist es nicht mehr«, sagte Timea. Sie hatte heute alles erfahren, was sie wissen wollte. Und darüber hinaus. Mehr könnte sie nicht ertragen.
~*~*~*~
U nruhig wanderte Mika in ihrer Wohnung hin und her. Die Wohnungstür fest im Blick. Sie kam sich vor wie eine Palastwache. Ihre Schritte und ihre Körperhaltung machten sie immer mehr zu einer Soldatin. Die Regentropfen, die ans Fenster klopften, sorgten für die rhythmische Begleitmusik. Wieso war sie bloß so nervös? Mika wusste es nicht. Seit zwei Stunden war sie hier, und genauso lange hatte sie diese unbegreifliche Angst.
»Das liegt bestimmt am Gespräch mit Mama«, redete sich Mika ein. »Wer weiß, was sie Papa sagen wird.« Das konnte einem nur Angst machen.
Zufrieden machte Mika kehrt. Bald müsste Timea hier sein. Um zu reden. Zumindest hatte die Zusammensetzung der Buchstaben
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