Nerd Attack
Hilfe geeinigt, sie könnte ohne Zwischenhändler ungleich höhere Gewinne aus dem Geschäft mit den Dateien einfahren.
Es ist, nüchtern betrachtet, eher unwahrscheinlich, dass viele der Nutzer der Napster-Nachfolger ihr Handeln als ideologische Stellungnahme, als Akt des Protestes gegen ein nicht mehr als fair und sachgerecht betrachtetes Urheberrecht verstehen. Das schlagkräftigste Argument der Tauschbörsen ist und bleibt, dass sie nichts kosten: Wieder stimmen Qualität und Komfort (zumindest für halbwegs versierte Nutzer), und der Preis ist unschlagbar. Einige aber betrachten die Umgehung von Copyright-Bemühungen weiterhin als eine Art Sport, als die praktische Umsetzung der Hacker-Ethik: »Alle Information soll frei sein.« Ein Kopierschutz ist dieser Logik zufolge ein Verstoß gegen ethische Grundsätze. Diese Menschen stellen – unfreiwillig, glaubt man den Beteuerungen mancher Mitglieder dieser Szene – das Rohmaterial zur Verfügung, das Tauschbörsensysteme wie Bittorrent am Leben erhält. Längst handelt es sich dabei nicht mehr nur um Musik.
Die wirklich bösen Jungs
Eine Kombination aus der Cracker-Tradition der achtziger Jahre und den hocheffizienten Verteilungsmechanismen des Internets hat eine globale Infrastruktur geschaffen, die dafür sorgt, dass nahezu jede Art von digitaler Veröffentlichung dem halbwegs Eingeweihten in kürzester Zeit kostenfrei (und das heißt illegal) zur Verfügung steht.
Wie ihre Vorgänger, die Cracker der Achtziger, nennen die Mitglieder der Release Groups, die die illegalen Kopien verbreiten, sich selbst und ihresgleichen schlicht »The Scene«. Manche der Kopierschutzknackerteams aus der Ära des C64 existieren nach wie vor, wenigstens dem Namen nach. »Fairlight« beispielsweise, eine legendäre Truppe, deren Mitglieder ursprünglich aus Schweden kamen, ist noch immer aktiv, mittlerweile allerdings längst als grenzüberschreitend organisierte, um den Globus verstreute Mannschaft von Spezialisten. Die ersten ihrer Cracks waren Spiele für den Commodore 64, später kamen diverse andere Computer und Konsolen hinzu. Heute veröffentlicht Fairlight Cracks für den PC – die Mitglieder des kriminellen Traditionsunternehmens versehen ihre digitalen Flugblätter stolz mit einer aktuellen Altersangabe und einer laufenden Nummer: »In seinem 23. Ruhmesjahr veröffentlichte Fairlight Nummer 980.« Im Sommer 2010 bewegte sich die Truppe diesen Angaben zufolge in großem Tempo auf Crack-Veröffentlichung Nummer 1000 zu. Und das trotz einer 12 Länder umfassenden, konzertierten Polizeiaktion im Jahr 2004 unter der Führung des FBI gegen eine Reihe großer Kopierschutzknackergruppen, zu denen auch Fairlight gehörte. Bis zum Frühjahr 2009 wurden dem US-Justizministerium zufolge 60 Menschen als Folge der »Operation Fastlink« verurteilt. Viele bekamen Geld- und Bewährungsstrafen, einige mussten für ein bis zwei Jahre ins Gefängnis. Auch das jedoch konnte Fairlight nicht zum Verschwinden bringen, geschweige denn die Szene als Ganzes. Heute schmückt Fairlight seine Releases mit den Wahlsprüchen »Legenden mögen schlafen, aber sie sterben nie« und »Qualität, Tradition und Stolz«. Parallel zu den Cracker-Aktivitäten sind andere Fairlight-Mitglieder weiterhin in der Demoszene aktiv, erschaffen digitale Kunstwerke aus Grafik und Musik und gewinnen immer wieder internationale Wettbewerbe.
An den grundlegenden ästhetischen und (a-)moralischen Parametern der Cracker-Truppen hat sich seit den Achtzigern nichts geändert. Und doch hat die Szene im Lauf der Jahre einige Veränderungen durchgemacht. Beispielsweise wurden die noch auf der alten Mailbox-Technologie basierenden »Warez-Boards« in der zweiten Hälfte der Neunziger nach und nach zugunsten neuer Plattformen im Internet dichtgemacht. Außerdem hat sich das Betätigungsfeld der Cracker und Kopierer enorm vergrößert: Nicht nur Spiele und Anwendungs-Software, sondern schlicht alles, was digital verfügbar ist, wird heute als Schwarzkopie in Umlauf gebracht: Musik, Filme, Einzelepisoden aus Fernsehserien, elektronische Bücher und Hörbücher. Weil bei vielen der neuen digitalen Medien anfangs nicht einmal ein Kopierschutz umgangen werden musste, wandelte sich der Name der Gruppen von »Warez«- (für »Software«) oder »Cracker«- zu »Release«-Gruppen. Release ist ein im Englischen doppeldeutiger, aus Cracker-Sicht damit umso passenderer Begriff: Er bedeutet sowohl »veröffentlichen« wie auch »in die
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