Nero Corleone
die Folgen werden fürchterlich sein.« Und er herrschte Rosa an: »Fiep nicht so herum, beklag dich richtig, wenn dir was nicht passt, die sollen ja nicht denken, sie könnten mit uns machen, was sie wollen«, und Rosa seufzte: »Mir ist so schlecht!«
Kurzum, es war eine schauerliche Reise, für alle vier. Ab und zu drehte Robert die Stereoanlage auf, um das Katzengejammer auf dem Rücksitz zu übertönen, und dann und wann griff Isolde mit ihrer weichen, kühlen Hand in den Korb, um die kleinen Köpfe tröstend zu kraulen. Mit einem Papiertaschentuch fischte sie Neros Häufchen heraus und warf es während der Fahrt aus dem Fenster. Nero tat natürlich so, als wäre es Rosas Häufchen, aber Rosa ließ während der ganzen langen Fahrt nur ein kleines unglückseliges Bächlein in die Katzendecke sickern. Es war und blieb grässlich, und als man in Köln ankam, waren alle am Ende ihrer Kräfte. Aber nicht lange.
Während Robert das Gepäck und die Bücherkoffer vom Auto ins Haus schleppte, trug Isolde den Katzenkorb in die Küche, schloss alle Türen und ließ die Gefangenen frei.
»Ihr seid zu Hause, meine Engelchen«, sagte sie, und Nero und Rosa krochen vorsichtig heraus. Da kam auch schon von oben ein Teller mit süßer Dosenmilch, da wurde ihnen ein Kasten mit Papierschnitzeln zum Pipimachen angewiesen — »Robert, hol mal Gartenerde, damit die Kleinen machen können!« —, und da sah man, dass es sich hier würde leben lassen. Nero und Rosa inspizierten das Haus. Es hatte eine untere und eine obere Etage, auf den Treppen und in den Zimmern lagen schöne weiche Teppiche, es gab viele geheimnisvolle Schlupfwinkel, und sie verkrochen sich gemeinsam in die hinterste Ecke unter dem großen Bett und genossen es sehr, dass Isolde laut klagend durchs Haus lief und sie suchte: »Wo sind denn meine kleinen Schätzchen?«
Aber die kleinen Schätzchen dachten über das neue Leben nach, verarbeiteten die Schrecken der Reise und sanken, aneinandergeschmiegt, in einen trostreichen Erholungsschlaf, aus dem sie erst wieder erwachten, als es dicht vor ihren Nasen unbeschreiblich gut duftete. Isolde lag auf dem Bauch vor dem Bett und schob einen Teller mit Hackfleisch und Haferflocken vor sich her. »Kommt, meine Hasen, ihr müsst doch was essen«, lockte sie, und die Hasen ließen sich dazu herab, ihre kleinen hellen Zungen in den Teller zu tauchen und ihn ratzeputz leer zu fressen.
»Sie essen!« rief Isolde glücklich, und Robert brummte: »Natürlich fressen sie, oder glaubst du, sie fallen aus Sehnsucht nach Italien in einen Hungerstreik?«
»Vernünftiger Mann!« dachte Nero wieder mal anerkennend, putzte sein Fell, nahm Haltung an und beschloss, unter diesem Bett hervorzukommen und die restliche Gegend zu ergründen.
Das war eine Enttäuschung!
Zwar sah man durch große Fenster in einen Garten, sah Bäume, Wiesen und Büsche, sah Vögel fliegen und Mäuse huschen, aber Fenster und Türen blieben fest verschlossen, kein Weg hinaus. »Nein«, sagte Isolde, »mein Putzelchen muss jetzt erst mal schön einige Zeit drinbleiben, damit es nicht wegläuft und sich nicht verirrt. Später darf es dann raus.«
»Putzelchen?« dachte Nero zornig, »verirren? Was ist denn das nun wieder für ein pelzsträubender Unsinn, warum kann ich jetzt nicht sofort da draußen in diesen Garten, ich bin doch nicht doof, ich werd ja wohl die Haustür finden!« Und er kratzte an der Terrassentür, er forderte und kreischte, aber die gute Isolde blieb diesmal hart und unerbittlich.
»Nein«, sagte sie, »es geht nicht. Erst musst du dich hier einleben, mein Hasilein, dann darfst du raus.«
Hasilein. Putzelchen. Engelchen. Schätzchen. Nero sah Isolde verächtlich an und verfluchte die Stunde, in der ihm die Eingebung gekommen war, mit dieser Wahnsinnigen irgendwohin zu gehen, in dieses dumme Deutschland, in dem die Gärten hinter Glas lagen. Was für eine unerhörte Demütigung, ihn hier einzusperren! Was dachte sie denn eigentlich, wer er war? Hasilein? Putzelchen? Zum Donner noch mal, er war Nero Corleone, das gefürchtete Löwenherz aus Carlazzo, und er wollte unverzüglich da hinaus in sein neues Revier und für Ordnung sorgen!
Nichts zu machen.
Fenster und Türen blieben zu, und Nero fiel in ein dumpfes Brüten. Rosa hatte nach der guten Mahlzeit eine große Wurst in den Kasten mit der Gartenerde gelegt und war dann in das schneeweiße Federbett geklettert, hatte sich zur Kugel gerollt und war laut schnurrend eingeschlafen. Isolde
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