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Nero

Nero

Titel: Nero Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ernst Eckstein
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getötet.«
    »Mit vollem Recht: denn die Mutter hatte ihm in Gemeinschaft mit ihrem Buhlen den teuren Vater erschlagen.«
    Nero machte eine Bewegung der Abwehr.
    »Diesen Britannicus also« – nahm Seneca das Gespräch wieder auf – »hat Agrippina ermordet – ach, mit so unsäglicher Schlauheit, mit so niederträchtiger Arglist, daß man sich fragen darf, ob die gesamte Weltgeschichte etwas Aehnliches aufweist. Britannicus war gewarnt. Keine Speise genoß er, ohne daß ein Sklave den Bissen ihm vorgekostet. Deine Mutter aber brachte es fertig, ihn mit dem zu vergeben, was die Natur so rein und so unverfälscht aus der Erde fördert. Sie ließ ihm den Würzewein so heiß vorsetzen, daß er zur Kühlung desselben kaltes Wasser verlangte. Sein Prägustator hatte aus der dampfenden Murrhaschale bereits geschöpft und geschmeckt. Der Trank war harmlos. Nun aber sich Britannicus das vergiftete Wasser hinzugegossen und einen Schluck über die Lippen gebracht, sank er jählings zurück und war sofort eine Leiche.«
    »Wie?« rief Nero. »Aber ich war doch Zeuge des entsetzlichen Vorgangs. Man sagte, es sei eine Ohnmacht; erst einige Tage später verschied er am Schlagfluß.«
    »Das hat man uns vorgeredet, uns und den übrigen; denn die Tafel sollte doch ihren Fortgang nehmen. Glaube mir doch, mein Liebling: auch für diese Unthat hab' ich Beweise!«
    Nero warf sich breit über die Tischplatte und durchwühlte mit zuckenden Fingern sein Haar.
    Leise trat Seneca zu ihm heran. Er legte ihm die Hand auf die Schulter und flüsterte, wie von Mitleid bewegt: »Laß mich das andre verschweigen! Eines nur sollst du noch wissen: daß der Mordversuch auf Flavius Scevinus gleichfalls ein Werk der grollenden Agrippina war. Sein Trinkspruch hatte sie tödlich beleidigt . . .«
    »Schweig, schweig!« stöhnte der Kaiser in herzzerreißendem Klagelaut. »Ich weiß genug!«
    In diesem Augenblicke erscholl vom Atrium her die Stimme des Stundenausrufers.
    »Es wird Zeit!« sagte der Staatsminister. »Fasse dich, teurer Freund! Nero der Sohn ist zu Grunde gegangen: möge Nero der Kaiser jetzt um so glorreicher strahlen auf der Höhe seiner Alleinherrschaft! Nein, nicht so, mein Knabe! Trockne die Thränen! Blicke frei in die Welt, wie ein Adler, der seinen Flug aufwärts zur Sonne nimmt! Zeige den nordländischen Barbaren, daß die Größe und Hoheit des römischen Namens voll und ganz in dir, dem Liebling des Volkes, verkörpert ist! Sei ein Mann! Sei ein Augustus!«
    Langsam richtete Claudius Nero sich auf. Es war nun wirklich, als habe die entsetzliche Stunde ihn völlig gestählt und gehärtet. Hoch und herrlich stand er vor seinem alten Erzieher, der gleichfalls mit einemmal vergaß, was ihn bis dahin bewegt und erschüttert hatte. Forschend sah er dem jugendlichen Beherrscher des Weltreichs ins Angesicht. Der glich jetzt einem marmorgemeißelten Bildnis des Gottes Apollo, der nicht nur segnende Strahlen, sondern auch verderbliche Pfeile entsendet. Immer fester und ruhiger ward es um den blühenden Mund, der so seligsüße Wochen hindurch nur gelacht und geküßt hatte. Ja, ja, die trotzigen Chatten, wenn sie diesen leuchtenden Heldenjüngling erblickten, durften sich sagen: ›Wehe dem Volke, das den römischen Cäsar zum Feinde hat!‹
    So begab er sich mit Seneca in den Oecus, wo seine Gefolgschaft schon seit fünfzehn Minuten bereit stand.
     

Achtes Kapitel
     
    Im Atrium hatten sich unterdes die Senatoren mit einer Vollzähligkeit eingefunden, die geradezu überraschend war; denn die Mehrzahl der hohen Herren war bereits in die Sommerquartiere übergesiedelt und nur, der Einladung der Kaiserin-Mutter gehorchend, eigens zum Zweck des großen Chattenempfangs nach Rom zurückgekehrt.
    Der kaiserliche Geheimschreiber Epaphroditus hatte die Ankömmlinge begrüßt, und sie ehrerbietigst nach den kissenbelegten Sesseln geführt, die da rechts und links vor den festlich geschmückten Arkaden in bogenförmiger Linie aufgestellt waren.
    Die Morgensonne malte bereits einen Streifen von Mannshöhe an den oberen Rand der Archivmauer. Die ringsher verstreute Blumenfülle, von den Sklaven mit künstlich zerstäubtem Wasser besprengt, schimmerte wie ein Frühlingsgarten im Tau, und die kostbaren Teppiche glühten mit jeder Minute farbenreicher und prächtiger.
    Der Staatsminister hatte von jeher eine Art Stolz darein gesetzt, daß derartige Zeremonien, wie der jetzt bevorstehende Empfang der Chattengesandtschaft, bis ins kleinste

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