Nero
des einst so vielverheißenden Imperators.
Nur Pharax vielleicht, der Gatte der Rotgelockten, hegte einen persönlichen Haß gegen Nero. Der Kaiser nämlich hatte ihn höhnisch zurückgewiesen, als der verzweifelte Militärtribun kniefällig um die Lösung seiner Ehe mit Acerronia ersuchte. Die derbe Spottrede, die ihm der Fürst in Gegenwart zahlreicher Höflinge zugeschleudert, brannte dem urwüchsigen Naturmenschen heiß auf der Seele. Da nun auch Agrippina ihren ehemaligen Günstling kaum noch beachtete, ja seit kurzem sogar rückhaltlos die Partei Acerronias ergriff und der kralligen Pantherkatze die kräftigste Unterstützung in Aussicht gestellt hatte, wenn sich Pharax nicht ducke – so schäumte der unglückliche Emporkömmling vor Entrüstung und Wut und schloß sich mit wilder Freude dem Julius Vindex an, der ihn vorsichtig in die Pläne einer kühnen Verschwörung eingeweiht hatte . . .
Streng genommen war diese Verschwörung nur die Fortsetzung jener Projekte, die sich anfänglich gegen den widerwärtigen Ehrgeiz der Agrippina gekehrt. Nach und nach jedoch hatten sich die Verhältnisse derart verschoben, daß der Kaiser, zu dessen Gunsten man Agrippina hatte befehden wollen, nunmehr gleichfalls, und zwar in erster Linie, der Gegenstand der verborgenen Feindseligkeiten wurde. Nur Barea Soranus und Pätus Thrasea hielten sich neuerdings abseits, da sie den Zeitpunkt eines erfolgreichen Aufstandes nicht für gekommen erachteten.
Seneca vollends, der sich so eifrig an der Agitation wider die Kaiserin-Mutter beteiligt hatte, war aus begreiflichen Gründen diesmal nicht eingeweiht worden. Seine Stellung war ohnedem eine seltsame. Ruhig, beinahe düster, versah er die Staatsgeschäfte. Nero ließ ihn gewähren, verbat sich aber die Einmischung des philosophischen Warners in sein Privatleben. Agrippina schien auf jeden Einfluß verzichtet zu haben. In Wahrheit lauerte sie auf die nächste Gelegenheit, ihren Sohn zu verblüffen und die Herrschaft von ehedem wieder an sich zu reißen. Thatsächlich regierte Poppäa Sabina, denn Seneca, dem sie die größte Ehrerbietung bewies, hatte sich eingeredet, er müsse ihr thunlichst nachgeben, um später durch ihre Vermittelung den jetzt so unphilosophischen Kaiser zurückzugewinnen. Die Schmeicheleien des schlau berechnenden Weibes hatten ihm jede Urteilsfähigkeit lahm gelegt. Er hielt sie für eine geistesverwandte Natur, und da die Kluft zwischen Octavia und Nero nun doch einmal unüberbrückbar erschien, so beruhigte sich auch sein stoisch ernstes Gewissen.
. . . Lucius Menenius eröffnete die Beratung mit einer kurzen, weihevollen Begrüßung der Kampfgenossen.
Dann fuhr er in abgedämpfterem Tone fort: »Es ist nun klar wie das Sonnenlicht, daß wir uns alle in Claudius Nero Cäsar getäuscht haben. Dem Quiritenvolke ergeht es, wie der Henne des Fabeldichters, die einen Raubvogel ausbrütet. Erst nimmt sie ihn für ein Hühnchen, bis sie dann endlich mit Entsetzen gewahrt, wie dem jungen Geier die Griffe wachsen.«
»Dem jungen Aasgeier!« schnaubte der Militärtribun Pharax.
Lucius Menenius schüttelte lächelnd den Kopf. »Leider nein!« sagte er bitter. »Nicht die Toten zerfleischt er, sondern die Lebenden. Wir selber sind seine Opfer. Er trinkt das Herzblut Roms, um neue Kräfte zu sammeln für seine phantastischen Flügelschläge. Ich wiederhole es: wir sind schmählich getäuscht worden. Seneca, der ihn von Jugend auf kennt, hätte ihn längst schon begreifen müssen. Hier galt es die furchtbarste, eisernste Energie. Mit geistreichen Philosophien treibt man die eingeborene Wildheit nicht aus. Fast verspüre ich Lust, ihn der Mitschuld an all diesem Unheil zu zeihen, zumal jetzt, da er schweigend mit ansieht, wie die verlogene Poppäa sich fester und fester nistet. Diese Verderberin ist überhaupt der Urquell jeder Erbärmlichkeit. Agrippina siegte durch Missethaten; Poppäa herrscht durch die Künste der Buhlerin. Ich schwanke da, ob ich die Kaiserin-Mutter nicht vorziehe . . .«
»Oh, oh!« rief Flavius Scevinus.
»Verzeih, – aber ein Opfer der Agrippina ist leicht parteiisch,« sagte der Rechtsanwalt. »Früher, da Agrippina am Steuer saß, wahrte doch Nero den Schein. Seit ihn Poppäa umgarnt hält, tritt er alles, was heilig ist, mitleidslos unter die Füße. Er treibt die Verschwendung bis zur Verrücktheit. Er beugt offenkundig das Recht, um seine ewig-erschöpfte Kasse zu füllen. Er entehrt sich als Pantomime, als Ringkämpfer, ja als
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