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Nero

Nero

Titel: Nero Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ernst Eckstein
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Kutscher im Cirkus . . .«
    »Zähl ihm das Kleine nicht nach, da es ja leider des Großen genug gibt!« unterbrach ihn Flavius Scevinus. »Wenn er Komödie spielt oder als Ringer auftritt, so läßt sich dies halbwegs noch entschuldigen. Nero ist mehr Grieche als Römer. Sophokles und die Gesänge Homers haben ihn großgesäugt. Er lebt in dem Wahne, alles, was die Achäer vor Ilion getrieben, sei auch in Rom erlaubt. Hat einst Odysseus mit Ajax um den silbernen Dreifuß gerungen, so meint der Sohn Agrippinas, dergleichen stehe auch ihm zu Gesicht. – Das alles wollt' ich ertragen. Ich rechne mit seiner lodernden Phantasie, mit seinem Hange zum Bunten und Märchenhaften. Aber das andre, das Große . . .! Wahrlich, Menenius, in dieser Beziehung wirst du bei aller Beredsamkeit niemals Worte finden, die mir genugthun! Die trostlose Rechtsunsicherheit hast du erwähnt, die schmachvollen Majestätsprozesse, die jeden Bürger zum Spielball tückischer Denunzianten herabdrücken. Ich zittere vor Ingrimm, wenn diese Zustände nur flüchtig berührt werden. Eins aber empört mich noch tiefer: das schurkenhafte Gebaren des Cäsars wider Octavia. Denk' ich daran, so steigt mir das Blut in fast betäubender Welle zum Hirn; meine Finger krümmen sich zuckend, als wollten sie nach dem rächenden Dolch greifen. Ach, und doch – welche unsägliche Qual! Freunde, ihr ahnt ja nicht, wie ich diesen Knaben geliebt habe! Mein Herzblut hätt' ich für ihn gegeben. Er war mir wie ein leiblicher Sohn. Und er liebte mich wieder, anhänglich, treu, voll rührender Pietät . . . Um so glühender hass' ich ihn jetzt. Nein, ich betrüge mich. So schnell reißt Flavius Scevinus nicht ein Gefühl aus der Brust, das einmal dort festgewurzelt. Noch habe ich nicht gelernt, ihn zu hassen, so sehr ich es anstrebe. Um so gerechter werde ich sein, um so parteiloser. Ich verurteile ihn, wie einst Brutus die eigenen Söhne verurteilte, – und mein Wahrspruch lautet: ›Er ist des Todes schuldig!‹«
    »Nicht des Todes!« wehrte ihm Nicodemus. »Auch ich bin ja felsenfest überzeugt, daß dem Staate kein Heil erblüht, bevor wir den heuchlerischen Tyrannen vom Throne gestoßen. Aber ihn töten, hieße uns Rechte anmaßen, die nur der ewig waltenden Gottheit zustehen.«
    »Mich wundert deine platonische Mäßigung,« sagte der Dichter Lucanus. »Du besonders hättest doch Ursache, ihn zu hassen, denn lächerlicher wie dir hat er keinem unter den römischen Bürgern mitgespielt. Ich weiß das alles von Seneca. Ihr habt Sonderbares geplant. Ueber den Wert oder den Unwert eurer Ideen will ich nicht urteilen. Eines jedoch muß dich meines Erachtens geradezu als Verhöhnung berühren: der Umstand nämlich, daß Claudius Nero zu einer Zeit, als niemand ums Treiben der Nazarener sich kümmerte, höchst überflüssige Duldungsedikte erließ, während er jetzt, den Duldungsedikten zum Trotz, die Verfolgung gestattet, sobald sich ein harmlos-gläubiger Sklavenjüngling gar zu öffentlich seines gekreuzigten Meisters rühmt . . .«
    Nicodemus erblaßte. »Ich spreche hier nicht als Gönner des Nazarenertums,« versetzte er frostig. »Auch ahne ich nicht, ob und wie weit dein Oheim Annäus Seneca es für gut befunden, dich einzuweihen, da es sich hier doch um Dinge handelt . . .«
    »Beim Herkules, du kannst vollkommen beruhigt sein! – wir sind ja hier unter Freunden! – Also: du willst den Cäsar geschont wissen?«
    »Ich scheue das Blutvergießen,« gab Nicodemus zurück. »Morden wir den Verbrecher, so sind wir ebenso große Frevler als er.«
    »Du bist zu feige,« grollte der Militärtribun Pharax. »Hat sich Nero etwa bedacht, als ihm der junge Britannicus lästig wurde?«
    Flavius Scevinus zog die Brauen zusammen. »Rede nicht thöricht!« wies er den Ungestümen zurück. »Britannicus fiel als ein Opfer der Agrippina.«
    »Wem aber zum Vorteil?« fragte der Neffe des Seneca. »Lebte Britannicus, wahrlich, so wäre für Nero im Palatium nicht Raum geblieben. Der Sohn Agrippinas wohnte vielleicht in Athen und spielte in seinem Trauerspiel ›Jokaste‹ die Titelrolle.«
    Man lachte.
    »Ich rede völlig im Ernst,« sagte Lucanus. »Unser vortrefflicher Flavius hat ja bereits bemerkt, wie sehr den Cäsar das Außergewöhnliche und Phantastische lockt. Neuerdings betreibt er sogar den Spaß nächtlicher Prügeleien.«
    »Das kann ich aus eigener Erfahrung bestätigen,« rief der Osker Velinus. »Von einigen Schandgenossen begleitet, fiel der

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