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Nero

Nero

Titel: Nero Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ernst Eckstein
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»Ich irre mich nicht. Die Urheberin dieser schrecklichen Missethat heißt Agrippina.«
    Sie erzählte ihm nun den seltsamen Zufall, der sie mit dem Geheimnis jener verborgenen Mauerhöhlung bekannt gemacht hatte, und was sie dort wahrgenommen. Die Platte, welche den Zugang verdeckte, war augenscheinlich damals nicht vollständig eingefügt; denn späterhin hatte Poppäa versucht, die Eröffnung zu wiederholen, ohne daß ihr's gelungen wäre. Uebrigens könne ja Nero die Wand jederzeit mit Gewalt sprengen.
    Starr, wortlos, den glasigen Blick tief in ihr heißes Gesicht bohrend, hatte der Kaiser ihr zugehört. »Schlau in der That!« ächzte er vor sich hin. »Sie selbst also liefert ihren Verbrechern die Mordklingen. Geht so ein Dolch dann verloren, bricht er etwa im Brustbein des Opfers ab, so führt das weniger leicht auf die Spur des Banditen, als wenn er mit eigenen Gewaffen zur That schritte. Meisterhaft!«
    Es entstand eine Pause.
    »Nero Cäsar,« begann endlich der Agrigentiner, »dieser Tag ist entscheidend. Zweierlei wirst du einsehen: erstens, daß Agrippina vor dem Gesetze den Tod verdient hat; Zweitens, daß sie allein schon um deiner Sicherheit willen hinweggeräumt werden muß. Die Mörderin zu verhaften und sie in Ketten vor den Senat zu schleppen: das wäre, streng genommen, die Pflicht des Kaisers, dessen erlauchte Person ja vor allem dem Vaterlande, dem Volk gehört. Aber ich weiß: das würdest du niemals ertragen – und ehrlich gesagt: dein Widerspruch schiene mir selbstverständlich. Selbst als Verbrecherin bleibt sie die Mutter des Imperators. Ein öffentliches Gerichtsverfahren würde das Ansehen der Dynastie, ja des gesamten römischen Staates in Frage stellen. Dein göttlicher Name soll nicht geschändet werden. Ueberlaß also mir die Beseitigung der Verworfenen, die aus erbärmlicher Herrschbegier das kostbare Leben des eigenen Sohnes bedroht! Ich rate dir das, ich verlange das, – oder ich töte mich selbst!«
    »Folge ihm!« flehte Poppäa Sabina, sich auf die Kniee werfend. »Ich kann nicht atmen, wenn ich dein teures Haupt nicht für immer geschützt weißt.«
    Sie zerriß ihr Gewand, sie durchwühlte mit krampfhaft zuckenden Fingern ihr Haar – und von neuem gelang ihr ein Thränenguß, reichlicher noch und ausgiebiger als zuvor.
    Nero sträubte sich anfangs. Dann aber warf er die lähmende Dumpfheit, die auf ihm lastete, mit einem titanischen Zornesausbruche ab und ballte die Fäuste empor, als ob er die Götter für dieses Unheil verantwortlich mache.
    »Die Elende!« rief er. »Sie watet im Blute bis über die Knöchel, und noch hat die Unersättliche nicht genug! Den eigenen Sohn muß sie schlachten, um ruhig schlafen zu können! Fort mit deiner erbärmlichen Schwäche, du feiges, qualdurchzittertes Herz! Strafe sie, Tigellinus! Handle, töte, morde, wie dir's genehm ist!«
    »Ich danke dir, Cäsar! Nur um eins noch muß ich dich bitten, wenn alles gelingen soll.«
    »Nun?«
    »Begegne der Agrippina von dieser Stunde an jedesmal so, wie ich es für gut finde! Nur Worte, nur Gebärden und Mienen sollst du uns beisteuern: für die That sorg' ich allein, – und ehe du's ahnst.«
    Noch einmal zögerte Nero. Aber da lag das Stilett mit seiner funkelnden Klinge . . .
    »Sie hat es gewollt,« hauchte er durch die Zähne.
    Dann bot er dem Agrigentiner die Hand und sagte mit hohler Stimme: »Es sei!«
     

Sechzehntes Kapitel
     
    Acht Tage später weilte Nero mit seinem glänzenden Hoflager wieder in Bajä.
    Seneca nur, der eine Reihe wichtiger Staatsgeschäfte zu ordnen hatte, und Burrus waren zu Rom verblieben. Burrus ›mit Rücksicht auf die Ereignisse im Haus des Menenius‹.
    Da nämlich ein Militärtribun – Pharax – bei der Verschwörung beteiligt gewesen, so hielt Tigellinus, wie er mit großem Nachdruck betonte, die äußerste Wachsamkeit für notwendig, und ›niemand konnte in dieser Beziehung den ausgezeichneten Burrus vertreten‹.
    In Wahrheit wünschte der schlaue Agrigentiner den einzigen Mann, der ihm bei dem unglaublichen Anschlag wider die Kaiserin-Mutter hinderlich dünkte, vom Schauplatz der geplanten Intrigue fernzuhalten.
    Agrippina war seit jener peinvollen Scene im Cubiculum ihres Sohnes nicht wieder zum Vorschein gekommen. Zwei lange, trostlose Tage hatte sie einsam in ihren Gemächern verbracht und die Gefühle des Zornes und der Rachsucht verarbeitet, die ihr beinahe den Atem versetzten. Am dritten Tage reiste sie Hals über Kopf mit geringer

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