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Nero

Nero

Titel: Nero Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ernst Eckstein
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Gefolgschaft ab. Pallas sogar durfte sie nicht begleiten: sie wollte die Schlichte, Verwaiste, Verstoßene spielen . . . Zu diesem Behuf wählte sie einen Aufenthaltsort, der zwar gleichfalls am bajanischen Meerbusen, aber doch hinlänglich von Bajä entfernt lag, um den Eindruck der Zurückgesetztheit, vielleicht gar des Exils zu machen. ›Wie?‹ sollte die Welt staunend ausrufen, ›Claudius Nero schwelgt unter den Prachtkolonnen seiner olympischen Villen; sein ganzes Leben ist ein einziger Wonnerausch: und drüben in dem stillen Bauli bewohnt Agrippina, die ihn zum Herrscher gemacht, ein verödetes Bauerngehöft? Welch eine Mutter!‹
    In Bauli nämlich stand ein reizendes kleines Landhaus, das die Kaiserin jüngsthin ihrer Vertrauten Acerronia zur Hochzeit geschenkt hatte. Die rothaarige Cordubanerin war nun schon Witwe. Man lebte schnell im Rom der Imperatoren.
    Nero und Tigellinus schienen den vielberufenen bajanischen Taumel diesmal toller und übermütiger kosten zu sollen, als je. Poppäa Sabina war die ausgesprochene Oberpriesterin eines Kultus, der sich aus allen erdenklichen Daseinsgenüssen gleichmäßig zusammensetzte.
    Man feierte Orgien einer krankhaft verzückten Naturschwärmerei; man beging Ausschweifungen im Gebiete der Kunst; man raste vor überschäumender Sinnlichkeit.
    Tigellinus hatte die schöne Kitharaspielerin Chloris inzwischen völlig erobert. Ihrer Vergangenheit uneingedenk, hing sie bei den tollen Symposien jauchzend an seinem Hals.
    Nero, wenn er sie so gewahrte, lächelte hohnerfüllt. Er entsann sich dann jenes Abends bei Flavius Scevinus, da Chloris noch makellos vor die lauschenden Gäste trat, und jenes ergreifende, unvergeßliche Lied sang.
    So mußten die Dinge sich wenden! Die keusche Braut des Artemidorus – und jetzt? Pah, der ehemalige Sklave würde sie schon verschmerzen: er würde sich sagen: das sei der Lauf der Natur und der Wille des Schicksals. Wozu leuchteten diese Mädchenblüten, wenn sie nicht am Altare der imperatorischen Allmacht geopfert wurden? Tigellinus von Chloris umschlungen – das war, als würde ein Pfeiler der cäsarischen Götterburg mit Rosen geschmückt.
    Das Lied, das Lied! Bei dieser Erinnerung tauchte wohl ein süßes, blondes Gesicht vor ihm auf, ein Blumenantlitz mit großen, tiefblauen Augen. Diese thränenumflorten Augen schienen zu sagen: ›Ich habe dich lieb gehabt, wie nichts im Himmel und auf der Erde. Aber nun bin ich lange schon tot.‹
    Dann legte er mit der Hast eines Fieberkranken die Linke um die schwellende Hüfte Poppäas, rief ein feuriges ›Evoë!‹ und leerte den Becher, ohne nur abzusetzen, bis auf die Neige. –
    Tigellinus und Poppäa Sabina schienen bei diesem Getümmel der Lebenswonne die Verurteilung Agrippinas völlig vergessen zu haben. Kaum, daß hie und da der Agrigentiner bei einer Schaustellung syrischer Tänzerinnen etwas zu spät kam, oder sich heimlich entfernte, eh' noch die lärmende Commissatio zu Ende ging. Auch hätte es auffallen können, daß der Flottenbefehlshaber Anicetus, dessen Kriegsschiffe nur wenige Meilen westwärts am Cap Misenum vor Anker lagen, jetzt öfter und freundschaftlicher mit Tigellinus verkehrte, als früher. Niemand jedoch fand hier in Bajä Zeit, das Treiben der andern ernstlicher Betrachtung zu unterziehen, und Nero, der einzige, dem dies nahe gelegen hätte, suchte sich absichtlich zu betäuben.
    So ahnte denn keine Seele, daß der tückische Anicetus gegen die Summe von drei Millionen Sesterzen sich bereit erklärt hatte, die Vollstreckung des ›Urteils‹ an Agrippina zu übernehmen.
    Zu Anfang der dritten Woche bat Tigellinus den Kaiser ›um einige Augenblicke seiner wertvollen Zeit‹.
    »Was gibts?« forschte der Imperator, dem eine bängliche Ahnung schon den ganzen Tag über auf der Stirne gelastet.
    »Wenn dir's genehm ist, so folge mir!« sagte der Agrigentiner. »Wir ersparen uns so eine umständliche Erörterung.«
    Er geleitete nun den Kaiser in das reizende, braun dekorierte Zimmer, das mit der Längswand unmittelbar an den Park stieß. Ein kleines, glasloses Fenster erschloß den Anblick über ein wahres Meer blühender Rosenbeete. Rechts von dem Fenster stand ein kostbarer Schreibtisch, die Füße von Erz, die Platte vom Querschnitt eines prächtigen Zedernstammes.
    Hier schrieb Tigellinus, der neuerdings beinahe das Amt eines Mitregenten versah, die kaiserlichen Depeschen an Burrus und Seneca.
    Hier hatte er jüngsthin dem Otho nach Lusitanien vermeldet,

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