Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Nero

Nero

Titel: Nero Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ernst Eckstein
Vom Netzwerk:
sandte der siegesgewisse Agrigentiner den Brief durch einen reitenden Boten nach Bauli.
    Schon zur Stunde der Coena kam die Antwort zurück.
    Die Kaiserin schrieb:
    »Agrippina ihrem geliebten Sohn Claudius Nero.
    Deine Zeilen hab' ich erhalten. Ich entnahm daraus die erquickliche Kunde von der längst erwarteten Sinneswandlung, die in Dir vorgegangen. –
    Daß Du den Tigellinus entfernt hast, erscheint mir ebenso weise als rücksichtsvoll. Dieser Mensch – darüber möcht' ich Dir jeden Zweifel benehmen – hegt keinerlei Freundschaft für Dich. Er schmeichelt Dir aus ganz gewöhnlichem Eigennutz. Er will Dich beherrschen, um Dich hinterher auszubeuten. Ich dagegen, wenn ich Dich lenken und leiten wollte, ich, Deine Mutter, verfolgte dabei den einzigen Zweck, der mir von Anbeginn vor der Seele stand: Dein Glück, Deine Größe und die dauernde Festigung Deiner Herrschaft. Sich der Mutter zu fügen – (wie viel hundertmal hab' ich Dir das betont!) – kann sogar den Heroen und Halbgöttern nicht zur Schande gereichen. Der alles zermalmende Coriolanus zog mit dem Heere von Rom ab, weil seine Mutter ihm ins Gewissen sprach.
    Genug. Ich komme also, und zwar – was soll ich's verhehlen? – mit großer Freude.
    Sorge dafür, daß wir anfangs allein sind! Wir müssen uns aussprechen.
    Wenn das Wetter sich einigermaßen hält, komm' ich zu Schiff. Eine Stunde nach Sonnenaufgang denk' ich dort anzulangen. Es begleitet mich nur Acerronia nebst einigen Sklavinnen.
    Bleibe gesund!«
    Tigellinus, der das Billet Agrippinas eröffnet hatte, nickte stumm vor sich hin. Er begab sich sofort zu Poppäa, wo der Flottenbefehlshaber Anicetus bereits auf ihn harrte.
    Als er, das bläulich getönte Papyrusblatt in der Linken, über die Schwelle schritt, fuhren die beiden giererfüllt aus den Sesseln empor und starrten ihn an, wie ein Gespenst. Auch die Phönicierin Hasdra, die an dem fürchterlichen Geheimnis teil hatte, zuckte zusammen, und wühlte die nachtschwarzen Augensterne tief in das Antlitz des Agrigentiners.
    »Hier!« flüsterte Tigellinus lächelnd. Die Aufgeregtheit seiner Genossen ergötzte ihn.
    Nachdem Poppäa und Anicetus von dem Inhalt des Schreibens Kenntnis genommen, ward der Beschluß gefaßt, dem Kaiser den Brief vorzuenthalten, da der verständige und glaubhafte Ton, den sie anschlug, gefährlich sei.
    »Wenn sie erst hier ist,« sagte Poppäa, »will ich schon dafür einstehen, daß die Wirkung selbst ihrer zärtlichsten Schmeichelworte nicht vorhält. So aber, wenn er das läse, was sie so schlau ihm gedrechselt hat, möchte er's breit überlegen und seinen Bedenken Raum geben.«
    »Wohl gesprochen,« nickte der Agrigentiner. »Die Sache liegt gerade so knapp leidlich: ein bloßer Aufschub kann uns verderblich werden. Agrippina ist unablässig am Werke. Gibt man ihr Zeit, so glückt's der alten Schlange vielleicht doch noch einmal, sich emporzuringeln.«
    »Das verhüte mein Glücksstern!« seufzte Poppäa. »Ich empfinde bei diesem Gedanken wirkliche Todesangst.«
    »Ich für mein Teil,« sagte der Agrigentiner, »fürchte sie weniger als ich sie hasse. Auch steht meine Eitelkeit auf dem Spiele. Ich kann und darf nicht besiegt werden.«
    »Nein, du darfst nicht, erlauchter Herr!« zischelte Hasdra, die Hände reibend. »Sie hält sich für eine Göttin. Zeige ihr, daß sie sterblich ist! Töte sie, und mit Wonne will ich den Staub küssen, den deine Sohle getreten!«
    »Höre ich recht,« sagte der Flottenbefehlshaber Anicetus. »Du bist nicht nur das treugehorsame Werkzeug deiner Gebieterin, sondern du selber hast Gefühle der Feindschaft?«
    »Ja, Herr!«
    »Aber weshalb?«
    »Kanntest du nicht Pharax, den Militärtribunen? Da er noch einfacher Prätorianer war, liebte er mich. Spotte nur, Tigellinus! Auch Hasdra, die Unschöne, die euch allen mißfällt, ist wirklich geliebt worden. Die große Buhlerin aber hat mir ihn weggelockt . . . Ach, könnt' ich ihr nur ein einziges Mal an die lüsterne, schändliche, frechverlogene Gurgel!«
    Sie ballte die Faust in der Richtung von Bauli. Ihre Züge verzerrten sich; hinter den halbgeöffneten Lippen blitzten die fest aufeinandergepreßten Zähne, – weiß und scharf wie die eines Schakals.
    Der elementare Ausbruch dieses rasenden Hasses wirkte auf Poppäa verblüffend.
    »Beruhige dich!« sagte sie huldvoll. »Agrippina wird sterben, auch ohne daß du mit Hand anlegst. Schäme dich doch! Du weinst?«
    »O nein! Ich weine nicht mehr. Das hab' ich seit lange

Weitere Kostenlose Bücher