Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Nero

Nero

Titel: Nero Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ernst Eckstein
Vom Netzwerk:
daß man den Mitverschworenen des Lucius und Didius Menenius noch immer nicht auf der Spur sei; daß man jedoch zu der Vermutung neige, einzelne der dem Otho unterstellten Centurionen seien für die Sache des Aufstands gewonnen worden; daher denn Otho vorsichtig, aber energisch der Angelegenheit auf den Grund gehen möge.
    An diesem Schreibtische wurden ferner die zahlreichen, mit allen Floskeln einer banalen Rhetorik ausgestatteten Liebesbriefe entworfen, die der sieghafte Tigellinus, ungeachtet seiner bevorzugten Neigung für die Rhodierin Chloris, gleich halbdutzendweise vom Stapel ließ. Rings in dem weiten aphroditefreundlichen Bajä gab es kaum eine vornehme Großstädterin, mit der Tigellinus nicht in vollschwellendem Griechisch korrespondiert hätte, natürlich vorausgesetzt, daß die freundliche Korrespondentin jung, gefällig und hübsch war. Seine schneidige Rohrfeder strömte nur so von glühenden Apostrophen und funkelnden Schmeichelworten.
    Jetzt freilich herrschte auf der schön gemaserten Zedernplatte, die sonst mit ernsten und zierlichen Manuskripten breit überdeckt war, eine mustergültige Klarheit. Nur zwei lange Papyrusstreifen, der eine leer, der andre beschrieben, lagen vereinsamt vor der goldgetriebenen Urne mit dem flüssigen Schreibschwarz.
    »Herr,« begann Tigellinus feierlich, »dir und mir, und vor allem auch der besorgten Poppäa hab' ich's gelobt, jene traurige Angelegenheit, die während der letzten Tage zu Rom uns in Aufruhr versetzte, – ich meine den Frevel der Kaiserin-Mutter – möglichst ohne dein Vorwissen zu erledigen. Gleichwohl scheint es unmöglich, jede Beteiligung deinerseits zu vermeiden. Ich ersuche dich also, den Brief hier abzuschreiben, und heute noch an die Kaiserin Agrippina hinüberzusenden. Der Brief enthält alles, was ich bei reiflicher Ueberlegung für nötig erachte. Einen Nachmittag lang wirst du dann eine Rolle zu leisten haben, die bei dem großen schauspielerischen Talent, das Apoll dir verliehen hat, peinlich zwar, aber nicht unbezwinglich erscheint. Du sollst dich nur so gebärden wie früher: als der höfliche, pietätsvolle Sohn, der nicht ahnt, was die unnatürliche Mutter ihm zugedacht.«
    Der Cäsar nahm den Papyrusstreifen mit leise bebender Hand von der Tischplatte. Das Schreiben lautete:
    »Claudius Nero Cäsar wünscht seiner geliebten Mutter Agrippina Glück und Gesundheit.
    Zu meiner tiefsten Betrübnis nehme ich wahr, vielteuere Mutter, daß jener Auftritt mit Sophonius Tigellinus mir Deine Seele ganz zu entfremden droht.
    Ich will hier nicht untersuchen, inwieweit die Beschuldigungen des Mannes, der seinem eigenen Geständnis zufolge in höchster Erregung gesprochen, wahr oder unwahr sind. Ich weiß nur, daß die Sterblichen ausnahmslos ihre Fehler haben; daher es die größte Thorheit wäre, gerade Dir zum Vorwurf zu machen, was allen gemeinsam ist. Mir, Deinem Sohne, steht es am wenigsten zu, Dich zu richten; denn was Dir auch etwa zum Uebeln gedeutet wird –: Du hast es gethan und verbrochen um meinetwillen. Die Mutterliebe jedoch ist selbst da noch ehrwürdig, wo sie um des geliebten Kindes willen auf Irrpfade gerät.
    Laß mich kurz sein! Ich fühle, daß ich Dich heut noch liebe, wie einst, und daß mir die echte Freude am Leben vergällt wird, dafern wir länger in Groll und Feindschaft leben. Sonach bitte ich Dich: wirf das Vergangene rückhaltlos zu den Toten und reich mir wieder die teure Hand, die mich so oft – und wahrlich niemals zu meinem Schaden – gelenkt und geleitet hat.
    Willst Du, dann soll es der Welt sich auch äußerlich offenbaren, daß wir völlig versöhnt sind. Ich lade Dich ein, den morgigen Tag bei Deinem wiedergefundenen Sohn zu verbringen. Tigellinus, den ich ob seiner Frechheit zu strafen gedenke, hat seit gestern Bajä verlassen. Ich habe den sonst so vortrefflichen Mann, der ja auch nur aus treuester Liebe zu mir sich vergangen hat, bis auf weiteres nach Rom geschickt, wo er die Arbeitslast des würdigen Seneca ein wenig erleichtern mag.
    Antworte mir durch den Sklaven, der dies Schreiben Dir überbringt! Ich hoffe, Du schlägst mir meine Bitte nicht ab. Auf Wiedersehen, vielteure Mutter! Gehab Dich wohl!«
    Nero blickte fragend zu Tigellinus auf. Dieser jedoch bat ihn dringend, keinerlei Auskunft zu heischen.
    Schwer seufzend ging der Cäsar ans Werk. Nachdem er die Abschrift vollendet, begab er sich hastig ins Frigidarium. Die Stirn glühte ihm: das quellfrische Bad sollte ihm wohlthun.
    Inzwischen

Weitere Kostenlose Bücher