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Nero

Nero

Titel: Nero Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ernst Eckstein
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ungleich. Die zuverlässigste Waffe ist mir versagt geblieben. Ich denke, so darf ich mich trösten.«
    Anicetus, heimlich mit seinen Plänen beschäftigt, verstand sie falsch. Er zuckte zusammen. Die Ungeheuerlichkeit der Absicht, die er zu ahnen glaubte, ließ ihn erschaudern. Dann aber führte er, innerlich hohnlachend, den Becher zum Munde, und trank im Geist auf die ›glückliche Fahrt‹, die er der bräutlich geschmückten Kaiserin-Mutter bereiten wollte.
    Es war Nacht geworden, als Agrippina sich vom Speisesofa erhob, um nach Bauli zurückzukehren.
    Ueber den Höhen der leugarischen Berge stand der Mond und goß sein beruhigendes Licht auf den weiten, spiegelnden Golf und die zahlreichen Tempel, Theater und Landhäuser, die ihn umsäumten.
    Nero führte die Kaiserin bis zum Gestade. Die meisten der Gäste folgten. Ueberraschenderweise war die Barke nicht vorgefahren. Von der gemauerten Bucht, wo sie am Ring gelegen, scholl ein befremdliches Stimmengewirre.
    »Was soll das bedeuten?« fragte der Flottenbefehlshaber.
    »Die Barke ist leck,« versetzte einer der Ruderknechte.
    Agrippina zog die Brauen zusammen.
    »Unbegreiflich! Wer kann das verschuldet haben? Du, Androclus?«
    »Herrin, bei meinem Leben . . .«
    »Schweig!« wehrte ihm Nero. »Morgen soll sich's herausstellen, wen hier ein Vorwurf trifft. Cassius, bring mir die Leute in Haft! Du aber, teure Mutter, laß dir um solcher Kleinigkeit willen die gute Laune nicht rauben! Hundert Schritte von hier liegt das Prachtschiff, das mir der luxusliebende Anicetus jüngst zum Geschenk gemacht. Flink, Eurysthenes! Alle Ruderer an Bord! So, Mutter! Raste nur eine Weile hier auf der Steinbank! In fünf Minuten steuerst du deinem Ziele entgegen.«
    Die Worte blieben ihm fast in der Kehle stecken. Dorrend lag ihm die Zunge wider den Gaumen. Aber er konnte nicht mehr zurück. Es
mußte
sein, um der Gerechtigkeit, um des eigenen Heiles, um der Sicherheit Roms willen; denn er selbst war ja Rom!
    Ein regelmäßiges Klatschen und Rauschen verkündete das Herannahen der üppig ausgestatteten Jacht. Anicetus hatte das Fahrzeug mit den verwegensten seiner Seesoldaten bemannt, die jetzt harmlos in schlichter Matrosentracht auf den Bänken saßen und beim Zeichen des Obmanns die Ruderstangen zum Halten einstemmten.
    Man schob ein teppichbelegtes Brett aus dem Schiff nach der Strandmauer. Agrippina umarmte den Cäsar und die marmorbleiche Poppäa, reichte dem Anicetus die Hand, winkte den übrigen huldvoll zu, und schritt, von Acerronia und den Dienerinnen gefolgt, ruhigen Wandels an Bord.
    In der Mitte des Schiffes befand sich ein persischer Baldachin. Schwellende Sessel und Ruhebetten waren hier aufgestellt. Agrippina lagerte sich; ihre Begleiterinnen scharten sich um sie her, blühende Mädchen in rosiger Tunica, die schimmernden Mäntel aus lichtem Wollgewebe nachlässig um die Hüften gelegt. Man konnte an Galathea denken im Kreise der Nereiden.
    Ein letztes ›Gehabt euch wohl!‹ klang vom Lande herüber. Dann streckte der Obmann die rechte Hand aus. Zwei Flötenspieler huben ihre schmelzende Weise an: ›O goldenes Bajä!‹, nach deren Takte die Seesoldaten zu rudern begannen. Das Schiff machte eine Schwenkung nach links, und vorwärts ging die köstliche Fahrt in den schweigsamen Golf hinaus.
    Die Nacht war entzückend. Auf den leicht gekräuselten Wassern glänzte das weithinflutende Mondlicht immer voller und flammiger. Das fernverschwimmende Cap Misenum, die villenbesäten Hügel, die ragenden Pinienwälder – alles schien wie in Silber und Schnee getaucht. Silber und Schnee troff in schäumender Herrlichkeit von den Spitzen der Ruderstangen, rieselte an den Pfeilern des Baldachins auf das breite Verdeck herab und senkte sich kühlend in die halbermatteten Seelen.
    Agrippina stützte das Haupt in die Hand. Der milde Azur, die balsamische Luft, das melodische Flötenspiel, – das wirkte unsäglich beruhigend! Ein weiches Lächeln schwebte um ihren Mund. Sie war seit langer Zeit wieder glücklich.
    Welch ein unvergeßlicher Tag! Alles, alles wandte sich ja zum Guten!
    Ihr Sohn hatte aufs neue die Grenzen gefunden, wo ihre mütterliche Autorität begann. Er hatte gelobt, diese Grenzen zu achten, ihr fest zu vertrauen, ihrem Rat zu gehorchen, so lange sie atme!
    Das war die Rückkehr zum Einst, die cäsarische Machtfülle, die Oberhoheit über das Reich.
    Ach, und die Herrschaft war so verlockend, so göttlich, so folgenschwer!
    Was konnte die neugefestete

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