Nero
gesetzt, habe ruhig und ohne Erbitterung die Absicht geäußert, sich scheiden zu lassen, – jetzt vollends mußte sich Agrippina bekennen: ›Wenn ich hier siegen will, darf ich den Haß, den die Dirne mir einflößt, nicht an den Tag legen.‹
Sie verstand es denn auch, diesen Entschluß meisterlich durchzuführen. Die demutsvolle Gebärde der jungen Frau ward glänzend belohnt. Agrippina umarmte sie, nannte sie ihre teuerste Freundin, küßte sie auf die halbgeöffneten Lippen, und schwur, die süße Poppäa habe noch nie so entzückend, so hold und so schwärmerisch ausgesehen, wie jetzt.
Gleich danach tischte man unter dem Zeltgewebe des kleinen Tricliniums ein köstliches Frühstück auf. Nur fünf Personen waren bei diesem Prandium beteiligt: Nero, Agrippina, Acerronia, Poppäa und der Flottenbefehlshaber Anicetus.
Der Agrigentiner hielt sich während des ganzen Tages verborgen. Alle Welt glaubte, er sei verreist. Uebrigens wurde sein Name während des Mahls nicht erwähnt.
Anicetus und Poppäa Sabina trugen vorzugsweise die Kosten der Unterhaltung. Insbesondere war Anicetus gegen seine Gewohnheit gesprächig. Es galt ja, der Kaiserin-Mutter jede Möglichkeit einer Verständigung mit dem Kaiser von vornherein abzuschneiden. Durch Poppäa und Acerronia mit lautem Beifall belohnt, gab er ein überraschendes Seemannserlebnis nach dem andern zum besten, – bald durch den Reiz der Gefahr und der Spannung wirkend, bald aufs Gebiet der Komik und der Verliebtheit abschweifend, oder die Neugier durch unaufgeklärte Rätsel kitzelnd. Selbst die Kaiserin-Mutter schien ein paarmal durch die lebhafte Art und Weise des Mannes völlig gepackt zu sein.
Jeder Zuschauer würde geglaubt haben, an dieser üppigen, gold- und silberglänzenden Tafel herrsche der fröhlichste Lebensgenuß, die klarste Gemütsruhe, die sonnigste Heiterkeit.
Agrippina jedoch kämpfte mit einem seltsamen Unbehagen. Daß sie noch mißtrauisch war, das merkte Poppäa an der zwar unauffällig, aber doch sehr konsequent gehandhabten Vorsicht, mit der sie erst dann eine Speise berührte, wenn der Kaiser oder Poppäa davon gekostet hatte.
Einmal, wie Agrippina gerade den Kopf wandte, machte Poppäa den Imperator mit einer nur ihm verständlichen Handbewegung auf diese Thatsache aufmerksam.
Nero krauste die Stirn. Die Aengstlichkeit Agrippinas schien ihm der klarste Beweis ihrer Schuld.
Mit dem Zeigefinger der Hand schrieb er wie spielend ein langgezogenes B auf den Tisch.
In den Augen Poppäas glomm eine stille Genugthuung. Sie wußte: dieses – hieß ›Britannicus‹.
Das Prandium war ausgezeichnet. Riesige Austern und zarte, grätenlose Muränen; das vortrefflichste Garum, das jemals ein römischer Kochvirtuose bereitet hatte; zwei Pasteten, – eine von Lerchengehirn, die andre von gedünstetem Rehfleisch mit zwanzig Gewürzen; Früchte aus den berühmtesten campanischen Kunstgärten –: kurz, das Erlesenste aus allen Gebieten ward hier von den prunkvoll gekleideten Dienern vorgelegt, während ein schneegekühlter, blinkender Aetnawein den berauschendsten Duft verströmte.
Die einzige aber, die von all diesen Herrlichkeiten Genuß empfand, war die Hispanierin Acerronia. Sie schwelgte – und mehr als eine herzerquickende Schale goß sie mit dem brünstigen Wunsch über die Zunge, die Tage der Einsamkeit in der Villa zu Bauli möchten nun wirklich zu Ende sein.
Wie anders lebte sich dies vergängliche Leben hier unter dem luftgebauschten Velarium, als drüben in ihrem ›Hochzeitsgeschenk‹! Dank den Unsterblichen, war sie den schauderhaften Ehegemahl jetzt los: nun fehlte nur noch der flotte, farbenreiche Verkehr von ehedem, und ein Ersatz für den Toten! Sie wollte nicht wieder heiraten, – nicht um die Welt: aber . . . einen Freund wünschte sie sich. ›Allgütige Cypria, du kennst ja das Leid junger, lebenslustiger Witwen!‹
Anicetus zum Beispiel . . . Seine Nase war etwas breit; aber man küßte ja nicht mit der Nase!
Beim Herkules, wie er so schlankweg plauderte, und so herzlich mitlachte, wenn Acerronia losplatzte – da begriff sie gar nicht, daß sie ihn früher so wenig beachtet hatte! Und nun gar ihre lächerliche Vision im Park des Scevinus! Seine jetzt so beweglichen Augen hatten sich damals jählings geschlossen . . . Grünliches Wasser floß ihm über das Antlitz. Der Mund war verzerrt, bleich, schreckhaft . . . Und hinter ihm die Pomona, die mit einemmal die Züge der Kaiserin-Mutter annahm . . .!
Zu
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