Nero
albern!
Nun, die kluge Aegypterin Epicharis hatte ihr ja schon damals eine günstige Deutung gegeben. Sie hatte geweissagt, der Flottenbefehlshaber werde sie einstmals im Lauf der Jahre fröhlich zum Hafen geleiten . . . Der Hafen natürlich konnte auch bildlich gemeint, und als Minneglück aufgefaßt werden . . .
So gingen ihre Gedanken auf und ab, und die Zukunft malte sich ihr in verlockenden Bildern.
Während der Mittagsglut hielten sämtliche Insassen der Villa Rast.
Zwei Stunden erst vor Beginn der Hauptmahlzeit fand man sich in der Exedra, dem kühlsten Raume des Hauses, wieder beisammen, wo die Sängerin Chloris einige Lieder vorsang.
»Zierliche Rhodierin,« sagte der Kaiser, als sie zum zweitenmal die Kithara gesenkt hatte, »jetzt noch eines, das wir lange entbehrt haben. Ich bitte dich, sing uns dein weiches, volltönendes › Glykeia mater‹!«
› Glykeia mater . . .‹ – ›O süße Mutter . . .‹ – das war der Anfang eines beliebten dorischen Volksliedes.
Die ganze Zuhörerschaft, vor allem Poppäa und Anicetus, klatschten dem Cäsar Beifall.
Agrippina gab sich dem Zauber dieser feinfühligen Aufmerksamkeit willig gefangen. Sie war nun ganz überzeugt: der junge Kaiser gehörte ihr wieder an. Daß die Stimme Neros bei der Aufforderung, die er an Chloris richtete, merklich gebebt hatte, legte sie vollends zum Guten aus. Was ihr Stolz auch gelitten, wie sehr auch ihre Herrschbegierde sich aufgebäumt hatte wider den störrischen Knaben, der ihr so dreist, so unerwartet über den Kopf gewachsen: er war und blieb doch ihr zärtlich geliebtes Kind. Und da die Sängerin nun begann, und den Worten › Glykeia mater‹ die ganze Glut ihrer leidenschaftlichen Seele einhauchte, da klangen die herzbewegenden Töne so hold, so verführerisch, daß Agrippina, die Meisterin sieghafter Selbstbeherrschung, für Augenblicke vergaß, was sie sonst für das erste Erfordernis ihrer Würde hielt. Ihre Augen feuchteten sich; zwei funkelnde Thränen schienen bereit, ihr von den Wimpern zu rollen, als Sühne vielleicht für so manche blutige That, die durch kein Gebet wieder gut gemacht werden konnte.
› Glykeia mater‹ sang die Rhodierin Chloris.
Inzwischen rückte für die also Gefeierte der Moment des Verderbens näher und näher.
In der vierten Stunde nach Mittag ward unter Hinzuziehung sämtlicher Hausgenossen und zahlreicher Gäste die Coena eröffnet.
Der Phönicierin Hasdra war auf ihren dringenden Wunsch hin gestattet worden, die Austeilung der üblichen Kränze zu übernehmen. In wallendes Rot gekleidet, ernst, langsam, weihevoll, als begehe sie eine heilige Handlung, so nahte sie der festlich geschmückten Doppeltafel. Zu oberst auf ihrem Flachkorb lag ein Gewinde von weißen Rosen, das sich durch Fülle und Feierlichkeit von den übrigen auszeichnete. Funkelnden Auges trat sie zum Ehrenplatz, wo die stolzlächelnde Agrippina zwischen dem Kaiser und dem Flottenbefehlshaber Anicetus auf prunkenden Polstern ruhte.
Die Vertraute Poppäas hob den duftigen, diademartig geflochtenen Kranz wie triumphierend empor.
»Rosen aus Cumä!« sagte sie bebend. »Die schönsten in ganz Italien! Claudius Nero, unser Herr und Gebieter, hat sie für dich bestimmt. Dir allein diese Auszeichnung! Rosen, wie vom Brautschmuck der Todesgöttin Proserpina, so bleich und so königlich!«
Anicetus, empört über diese unkluge Auslegung, warf ihr einen wütenden Blick zu. Hasdra jedoch lächelte, als verachte sie den schnöden ›Geschäftsmann‹, der so um des Goldes willen Mord und Verrat übte, während sie Millionen und aber Millionen freudig geopfert hätte, nur um sich rächen zu dürfen. Beinahe hochmütig schritt sie weiter.
Agrippina hatte die Ansprache ihrer heimlichen Widersacherin fast überhört. Gleichmütig setzte sie sich den Todeskranz auf das Haar, und litt es, daß Anicetus ihr mit höfisch-ehrfurchtsvoller Gebärde die saphirgekrönte Nadel zurechtschob.
Längst schon hatte ihr Blick nachdenklich auf der ewig heiteren Poppäa Sabina geruht. Wie leicht hatte es diese schönheitstrahlende Frau, den Cäsar gefügig zu machen! Beim Zeus, überall sonst hätte sich Agrippina getraut, im Punkte des Liebreizes und der Verführungskraft es mit jedermann aufzunehmen, – selbst mit Poppäa! Hier jedoch wollte es leider das Unglück, daß sie die Mutter war . . .
Lächelnd teilte sie diesen Gedanken dem Anicetus mit.
»Du wirst mir einräumen,« fuhr sie nach einer Pause fort, »der Kampf war
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