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Nero

Nero

Titel: Nero Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ernst Eckstein
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Cäsar bei dem unerwarteten Vorschlag Octavias kaum seine Freude verbergen. Sie sprach ja aus, was er längst schon als wahr erkannt. Sie begriff, daß die Liebe sich nicht erzwingen läßt.
    Der Form wegen sträubte er sich.
    Er rief Seneca und seinen Vertrauten Phaon herzu, auf daß sie ihm bitten hülfen.
    Aber Octavia blieb fest.
    Ihrer letzten schüchternen Hoffnung, die kaum noch Hoffnung genannt werden konnte, beraubt, kehrte sie noch desselbigen Tages geräuschlos und ohne Aufsehen nach Antium zurück.
    Es war nun alles vorbei, und für immer; – das sagte ihr wortloser Scheidegruß, ihr schmerzliches Lächeln, das keinen Vorwurf enthielt, nur unsägliche Traurigkeit.
    Langsam, als ob er eine Tote beherberge, rollte ihr Wagen über die abendbetaute Heerstraße. Verdorrtes Weinlaub raschelte von den Terrassen der Landhäuser auf die Böschung herab; der kühle Dezemberwind stöhnte in langgezogenen Klagelauten durch die vereinsamten Vorhallen. Einmal noch schaute sie um. Hinter ihr, eine schwarzverdämmernde Masse, lag Rom, das Grab ihrer einst so rosig geträumten Glückseligkeit. Dunkles Gewölk ballte sich drohend am Gehänge des Mons Janiculus. Ein Seufzer noch, ein heimliches Aechzen, und dann die Blicke vorwärts gerichtet in die öde Zukunft. Wider das Schicksal und seine zerschmetternden Fügungen ließ sich nicht ankämpfen. So war's ihr von Urbeginne bestimmt gewesen: sie mußte ihr Los ertragen, stumm, ohne Haß und Groll, wie es den Göttern gefiel.
    Die Fackeln ihrer Begleiter brannten heller und heller. Ein Funkenregen umsprühte blendend ihre Carruca. Es ward ihr zu Mute, als sei dies rollende Fuhrwerk ihr Holzstoß, dessen Flammen ihr den ermatteten Leib verzehrten. Ach, wenn es so mild sich stürbe, so ruhevoll . . .! Da plötzlich, als sie des Sterbens gedachte, ergriff sie ein jähes Schauern, eine wühlende Angst. Es war wie ein Nachklang jener furchtbaren Ueberreizung, die ihr damals mit so grausenhaften Visionen den Geist umnachtet. Sie schloß die Augen. Sie zwang sich mit übermenschlicher Anstrengung zur Gleichmütigkeit. Endlich ebbte der unheimlich-drohende Anfall. Unter dem einförmigen Rollen der Räder war sie entschlummert.
    Ebenso ohne Aufsehen nahm Poppäa Sabina wieder den alten Platz im Palatium ein, voll überströmender Wonne von dem begrüßt, der noch vor wenigen Tagen beim Anblick der totenbleichen Octavia geschworen hatte, er würde mit tausend Freuden sich blutig verstümmeln lassen, wenn er dadurch die Schuld seiner Vergangenheit wieder gut machen könnte.
    Octavia selber hatte die Nachricht verbreitet, sie verlasse die Hauptstadt aus eigener Entschließung.
    Zudem wußte jetzt Tigellinus die Leibwache durch erneute Millionenspenden dergestalt an sich zu fesseln, daß die Soldaten und die Mehrzahl der Offiziere ihn stürmisch zum Kommandanten begehrten, nachdem der jüngsthin erkrankte Burrus plötzlich verstorben war.
    Somit wäre denn alles wieder im ruhigen Geleise gewesen.
    Die Besatzung des Kaiserpalastes wurde verstärkt. Der neu ernannte Befehlshaber Tigellinus erklärte es für eine Kleinigkeit, den Pöbel, und brülle er noch so übermütig, zu Paaren zu treiben, falls er sich wieder erdreisten sollte, dem Imperator Gesetze zu geben. Neue Manipeln, zum größten Teil aus germanischen Söldlingen zusammengesetzt, waren bereits in der Bildung begriffen.
    Nero, der sich jetzt sagen durfte, der Wegzug Octavias aus den Räumen der Hofburg sei ja ihr freier Wille, hatte sich mit den letzten Regungen seines Gewissens vollständig abgefunden.
    Auch das Volk schien beruhigter. Denn die Hauptsache, die es erstrebt hatte: die Sühne für die unerhörte Verurteilung war ja dem übermütigen Tigellinus abgetrotzt worden.
    Was schließlich Poppäa betraf, so durfte sie, der Meinung kaltblütiger Beurteiler zufolge, mit dem Gang der Ereignisse vollauf zufrieden sein. Daß sie, nach Vernichtung jenes Verdiktes, welches die Ehescheidung zwischen Octavia und Nero aussprach, nicht tatsächlich Kaiserin ward, fiel ja nicht so schwer ins Gewicht. Den Cäsar, der nach ihrer schmeichelnden Liebe fast verhungert war, beherrschte sie unumschränkter als je. Später konnte man schon die Angelegenheit wieder einmal in die Hand nehmen. Vielleicht war die gänzlich gebrochene Octavia auf gütlichem Weg zu veranlassen, völlig und in gesetzlicher Form auf die Seite zu treten . . .
    Die Leute indessen, die so gleichmütig-praktische Erwägungen bei Poppäa unterstellten, irrten sich

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