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Nero

Nero

Titel: Nero Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ernst Eckstein
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ihn wehmütig. Unheimlich zog ihm ein Frösteln durch die verwöhnten Glieder. Er mochte nicht reden. Cassius aber kannte die Gepflogenheiten seines Gebieters hinlänglich, um jede Silbe zu unterdrücken, wenn der Cäsar mit sich selbst so zerfallen war.
    »Ihr alle habt mich belogen,« dachte der Imperator und schaute durch die halb geöffnete Thür in den regentriefenden Säulenhof. »›Einen Gott‹ nannte mich die schöne Poppäa; ›den Willen des Weltalls‹ der schmeichelnde Agrigentiner. Ich selber glaubte Kräfte in mir zu spüren, deren Anspannung ausreichen würde, um die Menschheit zum Himmel zu heben, oder sie gänzlich zu Grunde zu richten. Nun muß ich's ertragen, daß Jupiter Pluvius den verdrießlichen Schleier vorzieht, – nicht nur über das leuchtende Firmament, sondern über mein eigenes jammervolles Gemüt. Nero der Allmächtige friert – nicht an den Gliedern allein, sondern im Herzen.«
    Plötzlich die Hand über die Augen legend:
    »Schaff mir die Kohlen hinaus, Cassius! Mir umnebelt's die Sinne; mein Kopf schmerzt; und du weißt doch, Cassius, wenn dem Kaiser der Kopf schmerzt, zuckt das weiter bis in die fernsten Regionen des großen Imperiums.«
    Cassius gehorchte.
    »So dachte ich einst,« fuhr Nero in stiller Verbitterung fort; »aber nun weiß ich, diese verwünschte Menschheit fragt keine Sekunde danach, ob mir's weh ist oder vergnüglich. Um so schlimmer für sie. Ich will ihr Gleiches mit Gleichem vergelten. Mein Behagen soll wachsen, je tiefer der Schmerz ihr das zuckende Mark zerfrißt. Gejauchzt und gejubelt hat diese Bande von Leichenträgern, als ich Poppäa verstoßen hatte, Poppäa, das einzige Glück meines Lebens. Mir krampfte die Brust, aber die Bestie da draußen hat vor Wonne gebrüllt – gerade deshalb vielleicht, weil sie fühlte, wie sehr ich litt. Poppäa Sabina! Wie das wohlig in meine Seele tönt! Ihr verdank' ich mein Dasein. Wäre sie nicht gewesen, der Verlust der andern hätte mir den Verstand geraubt. Da es denn Acte nicht sein konnte, wohl, so war's eine Gnade des Fatums, daß Poppäa mir leben durfte. Manchmal, wenn sie mir so den Arm um den Nacken legt, und ich schließe die Augen – dann meine ich Acte zu fühlen an jenem ersten Abend im Park des Scevinus . . .«
    »Herr,« unterbrach Cassius diese Betrachtung, vom Peristyl wieder eintretend, »die erlauchte Poppäa bittet um Vorlassung.«
    »Endlich!« sagte Nero, sich aufrichtend. »Nun wird's sonnig werden hier im Gemach. Sage ihr, daß ich sie längst schon erwartet habe.«
    Dann zu dem andern Sklaven, der in der Ecke am Boden saß: »Zünde die Lampen an! Immer dichter ballt sich das Regengewölk. Diese leichenfarbige Dämmerung ist schauderhaft.«
    Der Knabe rannte hinaus und kehrte mit einer brennenden Handlampe zurück. Im Augenblick ergossen die Dochte der marmornen Standleuchter ihr goldklares Licht.
    Gleich danach trat Poppäa Sabina über die Schwelle.
    »Hast du Muße, mich anzuhören, mein Liebling?« fragte sie auf griechisch.
    »Ich verschmachte nach dir. Komm, setz dich hier auf die Polster! Du scheinst so ernst, süße Poppäa. Was gibt's?«
    »Unerhörtes,« sagte Poppäa ruhig. »Wie ich dir jetzt in die Augen schaue, halt' ich es dennoch für besser, zu schweigen, und lieber mit Seneca oder mit Tigellinus . . .«
    »Was?« fiel Nero ihr in die Rede. »Dinge gibt's, die du lieber mit Seneca oder mit Tigellinus verhandelst?«
    Poppäa starrte sinnend zu Boden.
    »Einmal hab' ich's erleben müssen, daß meine ehrliche Absicht dir für Augenblicke verdächtig schien. Zum zweitenmal verkannt zu werden – bei allen Göttern, das ertrüge ich nicht!«
    »Redest du von Octavia?« fragte der Kaiser stirnrunzelnd.
    Sie zögerte.
    »Auch von ihr,« sagte sie endlich mit scheinbarer Selbstüberwindung. »Zunächst aber von einem dreisten Verbrecher, der glücklich in meiner Gewalt ist. Vergib mir, Cäsar, wenn ich mit unermüdlicher Treue gewacht habe, daß du nicht Schaden nehmest.«
    Claudius Nero ergriff ihre Hand. »Ohne Umschweife!« sprach er und zog ihre blühenden Finger an seine Lippen. »Welche Missethat hast du entlarvt?«
    »Den Aufruhr, die blutige Rebellion, – und leider, leider . . . Aber bleiben wir bei der Hauptsache! Anicetus, der seit lange schon mit Octavia in – freundschaftlichen Beziehungen steht . . .«
    »Du sagst das in einem Tone . . .«
    »Ich fürchte deine Erbitterung; denn du teilst ja doch mit dem römischen Volk die Ansicht, deine Octavia sei

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