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Nero

Nero

Titel: Nero Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ernst Eckstein
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wollte! Weshalb auch mußte der Agrigentiner mit so ausgesuchter Brutalität vorgehen? Weniger hätte hier mehr geleistet.
    »Nero,« schrie sie, dem Kaiser zu Füßen stürzend, »ich lasse dich nicht! Ich sterbe lieber, eh' ich wie eine Verstoßene von dannen ziehe. Hast du vergessen, du Undankbarer, was mir bevorsteht? Ist nicht Poppäa die Mutter des Kindes, das du so oft schon im Geiste geschaut hast, wie es dein Knie umschmeichelte, wie es mit lallender Lippe dich Vater nannte?«
    Sie zerraufte ihr Haar und schlug die Stirne wider den Fußboden.
    »Halt ein!« wehrte der Imperator.
    Hingerissen vom Anblick ihrer wilden Erregtheit, hob er sie auf.
    »Klage nicht so,« fuhr er fort, »und bringe mein zwiespältiges Herz nicht ganz und gar zur Verzweiflung! Nein, Poppäa, ich habe dich nicht vergessen. Ich gedenke noch unserer Träume . . . Ich liebe nur dich, Poppäa, deinen himmlischen Leib, deine glühenden Küsse . . .«
    Er zog sie tröstend zu sich heran. Sie umklammerte seinen Hals und preßte ihr heißes Antlitz wider das seine.
    Draußen ertönte das laute Trompetensignal des Herolds. Der entsetzliche Lärm, der das Forum Romanum bis hinab zu den Hängen des Cälius wild überbraust hatte, wich einer bänglichen Schweigsamkeit. Man hörte die schallende Stimme des Agrigentiners, der in knappen, abgerissenen Sätzen zum Volke sprach. Die Worte waren hier im Gemache des Imperators nicht zu verstehen: aber die Wirkung der kurzen Rede ließ die Hofburg beinahe in ihren Grundfesten beben. Das Jubelgeschrei des Volkes übertraf an stürmischer Allgewalt die kaum verklungenen Zornesrufe ums Hundertfache. Immer und immer wieder klang es durch die erregten Scharen: »Es lebe Octavia! Es lebe der Kaiser!« Einige riefen sogar: »Es lebe der Agrigentiner!«
    Inzwischen preßte Poppäa ihre zuckenden Lippen auf Neros Mund und bebte vor Wut und Erbitterung am ganzen Leibe. Sie küßte ihn liebevoller und süßer als je, denn sie hatte nun wahrgenommen, daß sie noch immer die alte Gewalt über ihn hatte.
    »Leb wohl!« schluchzte sie herzzerreißend. »Ich hätte gedacht, mein Name sei tiefer in deine Brust gegraben. Ich gehe, Cäsar! sei glücklich mit deiner Octavia!«
    Er umfing sie mit beiden Armen.
    »Wir sehen uns wieder,« sagte er, ganz verzaubert von ihrer Weise. »Sei verständig, Poppäa! Hörst du nicht, wie sie jubeln und jauchzen? Wenn das Volk es verlangt . . .! Sprich, Poppäa: was ist der Kaiser ohne das Volk?«
    »Das Volk!« wiederholte Poppäa verächtlich. »Nicht vom Volke hast du die Herrschergewalt, sondern vom Schicksal, – und die Wälle, die den Anprall des Pöbels zu nichte machen, sind die Soldaten. Hörst du die langgezogenen Klänge der Tuben? Das sind die Leute des Burrus, die uns zu Hilfe kommen. Jetzt freilich, nachdem der Agrigentiner bekannt gegeben, was du beschlossen, ist es zu spät. O, ich durchschaue dich. Deine Gerechtigkeitsliebe ist nur die Maske der Uebersättigung. Auch Octavia ist schön, und den lebensdurstigen Imperator gelüstet's nach Abwechslung.«
    »Weib, du rasest.«
    »Ja, ich rase. Hör nicht darauf! Mir schwindelt. Feuerbrände lodern mir im Gehirn. Ich möchte dich gleich mit diesen Händen erdrosseln, so maßlos bin ich für dich entflammt, so wenig gönn' ich dich einer andern –, selbst nicht der reinen, unbefleckten Octavia!«
    Die Komödie dieser Verliebtheit war mustergültig gespielt. Sie faßte den Cäsar bei den Schultern und blickte mit aller Kunst der Koketterie zu ihm auf, so berückend, so verführerisch, daß er vollends erlag. Er meinte, wie Alexandros in der berühmten Stelle der Ilias, so begehrenswert sei ihm Helena, die kühn geraubte Gattin des elenden Menelaos, niemals erschienen – und wie Alexandros, der Hochbeglückte, umfing er sie . . .
    Anderthalb Stunden später rollte der Wagen, der die verurteilte Fürstin nach ihrem Landhause hatte bringen sollen, wiederum über das Pflaster der Via Sacra.
    Endlose Jubelrufe umringten ihn.
    »Es lebe Octavia!« schrie und jauchzte das ganze lebendige Rom, und wie ein unheilverkündendes Echo klang es dazwischen: »Nieder mit Poppäa, der Buhlerin!«
    Unsichtbare Hände bekränzten Octavias Standbilder, die noch zu Zeiten der Kaiserin-Mutter am Argiletum, vor dem Saturnustempel, auf der Höhe des Kapitols und an mehreren Punkten des Marsfeldes aufgestellt worden waren. Die Bildsäulen der Poppäa Sabina dagegen, die Nero errichtet hatte, wurden vom Sockel gestoßen, zerbrochen,

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