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Nero

Nero

Titel: Nero Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ernst Eckstein
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makellos wie frischgefallener Schnee. Weil ihre Freigelassenen nichts wußten, glaubtet ihr – ein Schluß von ganz erstaunlicher Logik! – es sei in der That nichts vorhanden, und die wenigen Stimmen, die gegen sie sprachen, schobt ihr auf die Wirkung der Folter. Als ob man nicht jahrelang sündigen könnte, ohne entdeckt zu werden!«
    »Willst du behaupten, jener unglückliche Abyssus, der noch sterbend ihre Unschuld beschwor, sei ein Lügner gewesen?«
    Poppäa zuckte die Achseln.
    »Was den Aegypter anlangt, so behaupte ich gar nichts. Möglich, daß die Späher des Agrigentiners getäuscht wurden – in der Richtung nämlich, wo sie zu suchen hatten. Wenn du bei Nacht in rebenumrankter Laube ein Paar ertappst, so ist's ja denkbar, daß man den Lucius für den Sempronius hält, oder umgekehrt. Diesmal aber sind solche Irrtümer ausgeschlossen. Anicetus hat sich bei einem der Seeoffiziere gerühmt, Octavias Geliebter zu sein, und zwei Soldaten, Freigeborene wie du und ich, haben's mit angehört. Niederschmettert durch dieses Zeugnis, leugnet er gar nicht. Ich selber habe ihn gestern verhört, und als ich ihm zusagte, daß sein erbärmliches Leben geschont werden sollte, dafern er ein offenes Geständnis ablege – Aber ich sehe, du regst dich auf, Nero; dein Antlitz wird fahl; du zitterst. Kannst du's ihr gar so übelnehmen, daß sie dir heimzahlt –«
    »Heimzahlt?« rief der Kaiser mit Donnerstimme. »Rechnest auch du in der Weise der liederlichen Personen, die man das weibliche Rom nennt? Ich bin der Cäsar, und vor allem: ich bin der Mann. Ich kränke sie wohl, wenn ich die Gunst, die der Gattin gebührt, einer Unberechtigten zuwende; ich kränke sie, aber, beim Herkules, ich entehre sie nicht! Niemand wird ihrer spotten, niemand sie lächerlich finden. Mitleid nur und leidenschaftliche Sympathie wendet sich der Verlassenen zu, selbst heute noch, da sie doch selbst diese Trennung gewollt hat. Ich jedoch, wenn es wahr ist, wenn Anicetus . . .! Aber du lügst, Poppäa! Es ist einfach undenkbar!«
    »Ich verzeihe dir,« sagte sie ruhig, »denn ich begreife dich. Der Gedanke, von dem Pöbel verhöhnt zu werden, raubt dem Besonnensten die Vernunft. Ein betrogener Gemahl, ein Cäsar, dessen Ehegattin trotz aller Scheinheiligkeit mit den Vertrauensmännern des Imperators in Minne schwelgt und zum Ueberfluß Pläne schmiedet, ihren Gatten zu stürzen, um dem liebenswürdigen Buhlen auf den Thron zu verhelfen – wahrlich, die Rolle ist nicht eben beneidenswert.«
    »Und das alles hätte Octavia gethan?« fragte der Kaiser.
    »Ueberzeuge dich selbst! Ohne irgend wen zu benachrichtigen, hab' ich den Anicetus und drei seiner Spießgesellen ans Land gelockt, sie in Haft genommen und die Geständnisse, die sie mir abgelegt, wortgetreu durch einen der Centurionen aufschreiben lassen. Hier hast du das Resultat der gesamten Verhandlung. Lies, und versuche dann fürder zu zweifeln. Zum Glück hatte die bubenhafte Verschwörung kaum noch um sich gegriffen. Fast sämtliche Offiziere sind treu. Ein Brief der Octavia, deren Schrift du erkennen wirst, liegt den Blättern hier bei.«
    Sie überreichte ihm die verhängnisvollen Papierstreifen.
    Nero las. Mit jeder Zeile blickte er hohler, gespenstischer, leichenhafter.
    »Die Natter! knirschte er durch die Zähne. »Also doch! Die Flotte wollte sie aufwiegeln und die campanische Landbevölkerung! Vom Cap Misenum her sollte ihr Streich fallen, der den Cäsar vernichten und den feilen Schuft Anicetus aus dem Sumpfe seiner Gemeinheit empor schleudern sollte! Schrecklich! Entsetzlich! Ist's denn zu glauben, diese keusche Octavia, die sich scheute, auch nur ein Wort über die Lippen zu bringen, das sie nicht ruhig am Altare der Vesta hätte aussprechen können? Aber so sind sie, die Heuchlerinnen, die Buhldirnen! Je unschuldsvoller das Antlitz, um so verworfener die Seele! Die Rhodierin Chloris erscheint ja neben dieser Verworfenheit wie die leuchtende Artemis. Und der Bube hat es gewagt, sich zu brüsten . . . zu brüsten mit der Schande des Imperators? So sind sie beide des Todes schuldig!«
    »Ich hab' dem Verruchten als Preis für die Unbeschränktheit seiner Geständnisse angelobt, seine Begnadigung zu erwirken,« sagte Poppäa. »Schick ihn auf Lebenszeit in die Verbannung, nach Sardinien. Weißt du nicht, daß die Römer Sardinien mehr fürchten als den Tod?«
    »Laß, laß! Wir reden darüber!« sagte der Kaiser, noch immer in die Aufzeichnungen seines Centurio vertieft.

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