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Nero

Nero

Titel: Nero Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ernst Eckstein
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zurecht, drapierte sich mit wenigen Griffen die Palla, und folgte ihrem Gemahl nach einem der abgelegenen kleinen Eßzimmer. Auch er, der sonst doch mindestens dreimal täglich seine verschwenderischen Kostüme wechselte, vergaß heute das Umkleiden.
    Nero speiste mit ihr ganz allein, nur von wenigen Sklaven bedient, wie ein Kleinbürger. Weder er noch Octavia sprachen mehr als das Nötigste: sie vor tiefster Ermattung, er aus schmerzlich-beklommener Scheu vor dem Weibe, an der er – die Götter mochten es wissen, warum! – so maßlos gesündigt hatte. Octavia genoß nur wenige Bissen. – Auch dem Cäsar, dem die Freuden der Tafel sonst ebenso lockend erschienen, wie irgend ein andrer Lebensgenuß, wollten die köstlichen Perlhühner und die duftigen Früchte von Capua nicht munden.
    Frühzeitig trennte man sich. Octavia begab sich sofort in ihr Schlafgemach. Trotz der unleugbaren Wandlung, die im Verhalten des Kaisers zu Tage trat, war's ihr so schwer ums Herz, daß sie gleich hätte sterben mögen. Ja, sie meinte, als sie unter dem Druck jenes schmachvollen Rechtsspruches in der Carruca nach Antium gefahren, sei ihre Seele ruhiger gewesen, gefaßter und klarer. Sie ahnte nichts Gutes von dieser unverhofften Versöhnung; sie fühlte, daß die Entschlüsse Neros nicht frei gewesen, mochte nun Furcht vor den lärmenden Volksmassen, oder Gewissensangst, oder selbst Mitleid ihn zum Handeln bestimmt haben. Liebe, Liebe, das einzige, was ihr das Herz hätte heilen können, war es gewiß nicht. Dennoch: der nazarenische Weise, von dem ihr Acte geredet, hatte den schönen Wahlspruch: ›Harret aus bis zuletzt!‹ Sie wollte ausharren, sie wollte nichts unversucht lassen, was in ihrer Gewalt lag. Mochte dann alles sich fügen, wie es der Gottheit gefiel.
    Nero, sich selbst überlassen, spürte sofort ein ungewisses Gefühl der Oede, das nach kurzer Frist eine bestimmte Gestalt annahm. Ihn beschlich die Sehnsucht nach Poppäa Sabina.
    Alle Unbeständigkeit, alle Ausschweifungen, die er in Scene gesetzt, konnten die eine Thatsache nicht verdunkeln: daß er in diese reizende Gauklerin bis zur Tollheit verliebt war.
    Der leise Zug um Augen und Lippen, den Poppäa mit der unvergeßlichen Acte gemein hatte, war der unbewußte Grund dieser dämonischen Leidenschaft.
    Der Gedanke, Poppäa verlieren zu sollen – und darüber war er sich klar, daß ein Weib wie Octavia nicht teilen würde – dieser Gedanke regte ihn wahnwitzig auf. Nachdem er sich kaum erst Octavias Verzeihung erfleht hatte, bebte er schon bis ins innerste Mark vor den logischen Folgen. Alle Vernunft, alle Gerechtigkeit, die er aufbot, löste ihn nicht vom Banne dieser Empfindungen.
    Seine Gemahlin war schön, jung, edel, das Urbild einer hochgemuteten Frau: aber für ihn blieben all diese zauberischen Reize tot – im Vergleich mit jenem einen unbeschreiblichen Zug, den Acte in ihrer kindlichen Unschuld mit der abgefeimten Poppäa gemein hatte, und der in dem Antlitz Octavias fehlte.
    Dieser Zug war für ihn die Verkörperung süßer, schmiegsamer, liebeglühender Weiblichkeit: alles andre bedünkte ihm Starrheit, kalte, sang- und klanglose Monotonie, – und so kam es ihm vor, als stehe er jetzt, nach seiner Wiedervereinigung mit Octavia, an dem Trennungspunkte zwischen Jugend und Alter.
    Vier Tage lang kämpfte der Kaiser diesen verzweifelten Kampf zwischen Liebe und Pflicht. Er schien zu jeder Thätigkeit unfähig. Keiner der Freunde ward vorgelassen. Tigellinus sogar und Phaon, der über die neue campanische Villa berichten wollte, mußten sich unverrichteter Sache wieder zurückziehen. Der ganze Verkehr des Kaisers beschränkte sich auf Octavia. Es war, als wolle er thunlichst rasch sich ins Unvermeidliche einleben und dies lichtlose Dasein ohne Poppäa ertragen lernen.
    Octavia durchschaute ihn. Am fünften Tage trat sie zu ihm heran, blickte thränenlos zu ihm auf und sagte mit fester Stimme: »Ich weiß nun, daß du mir ewig verloren bist. Ich zürne dir nicht: die Gottheit hat es gewollt. Laß mich – das ist mein einziger Wunsch – ruhig nach meiner antianischen Villa zurückkehren und dort meine Tage beschließen, so gut es gehen will. Möchte Poppäa dich lieben, wie ich dich geliebt habe!«
    Sie wollte hinzufügen: »Traue ihr nicht zu sehr! Sie liebt nur die Macht, und die Herrlichkeit des Palatiums!« Aber sie schwieg.
    Trotz der Rührung, die ihn ergriff, und trotz der Bewunderung vor der heroischen Größe dieser trauernden Dulderin konnte der

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