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Nero

Nero

Titel: Nero Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ernst Eckstein
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Antlitz des Mädchens geheftet, hörte Octavia ihr zu.
    Und wieder klang es ihr wie Musik aus einer überirdischen Welt entgegen: »Die Liebe endet nicht . . .«
    Da plötzlich – welch ein gespenstisches Hin und Her! Hastige Schritte im Atrium, angstvolles Murmeln, und gleich danach ein leises Geklirre, wie von Gewappneten, die vorsichtig auf den Zehen schleichen . . .
    Octavia sprang auf. In die Thüre tretend, prallte sie wider die zwei prätorianischen Hauptleute, die von Poppäa mit der Vollstreckung des Todesurteils betraut waren.
    »Herrin,« sagte der eine, »wir kommen im Auftrag des Imperators. Erspar uns die Worte, die uns nur mühsam über die Lippen wollen! Hier, lies!«
    Er zeigte der bebenden Fürstin das Dokument.
    Sie warf einen Blick darauf, scheu, ungläubig, ach, und dennoch gebannt, wie das Vöglein, das in den Rachen der Schlange starrt.
    Dann endlich begriff sie. Laut aufjammernd, brach sie in ihre Kniee. Unter glühenden Thränen flehte sie um ihr Leben, sie, die Unglückliche, die Enterbte, für die Leben und Leiden doch eins war.
    Glomm vielleicht immer noch eine Hoffnung unter der Asche ihres zerstörten Daseins?
    Oder hatte der furchtbare Widerstreit der Gefühle die Kraft ihrer Jugend vollständig aufgesaugt, damit ihr das Schicksal auch den letzten Trost der Verzweiflung nähme: die Hoheit eines würdigen, mutvollen Todes?
    »Erbarmen!« rief sie, die zitternden Hände ringend. »Ich bin noch so jung und habe nur Gram erfahren auf dieser Welt! Laßt mich entrinnen, weit hinaus bis zu den Säulen des Herkules! Nur die Sonne will ich noch schauen, und die himmlische Luft noch atmen, ach, die süße, himmlische Luft!«
    Schon schwankten die Centurionen, denn es war eine harte Arbeit für ehrliche Kriegsleute, an diesem lieblich-zarten Geschöpf, das doch von Rechts wegen aller Ehren des Thrones teilhaftig war, Henkersdienst zu verrichten.
    Bald aber siegte die Furcht vor Poppäa und die Besorgnis um die eigene Sicherheit.
    »Herrin, es geht nicht!« sagte der Aelteste. »Der Kaiser befiehlt: die Centurionen müssen gehorchen.«
    Er zückte das Schwert, aber die Waffe entsank seiner Hand beim Anblick dieser herzzerreißenden Todesangst. –
    »Tritt her!« sagte er zu dem Jüngeren.
    Da auch der nicht den Stoß führen wollte, so winkte der erste seinen Begleitern und gab den Befehl, die Fürstin mit aller Schonung zu fesseln.
    »Vergib mir!« sagte er feuchten Auges, während die Prätorianer ihr mit weichen Wolltüchern Hände und Füße banden. »Ich frevle, aber ich muß. Wenn's eine Gottheit gibt und ein zukünftiges Leben, und du erschaust sie in ihrer Herrlichkeit, so bitte für mich, daß sie mir diese Unthat verzeihe!«
    Nun ward die halb Ohnmächtige in ein lauwarmes Bad gebracht, wo man mit einem haarscharfen Dolch ihr die Adern öffnete.
    »Herrin, es thut nicht weh,« sagte der ältere Centurio. »Du wirst leise dahinschwinden – gerade, als wenn du einschliefst.«
    Aber dies Leben sträubte sich mit verzweifelter Hartnäckigkeit gegen die ewige Nacht, in der es, dem Lauf der Natur zuwider, so früh schon erlöschen sollte. Langsam nur, und allmählich versagend, quoll das Blut aus der Wunde. Schreckliche Zuckungen stellten sich ein; den halbgeöffneten Lippen entrang sich ein Aechzen der unbeschreiblichsten Qual.
    Da überkam den alten Kriegsmann ein Schauer. Aufstöhnend griff er mit nerviger Faust in ihr volles, lichtbraunes Haar und drückte ihr den Kopf unter das Wasser.
    Nach kurzer Zeit war alles vorüber. Der Centurio aber, der sie ertränkt hatte, stieß einen schrecklichen Fluch aus wider den Kaiser und die Metze der Hofburg, zog sein Schwert und durchbohrte sich selbst.
    Sein jüngerer Genosse hieß den Leib der gemordeten Kaiserin und den des unglücklichen Kameraden im Atrium aufbahren und mit Tüchern bedecken, damit späterhin die Verbrennung stattfände.
    Das Haupt aber der Octavia brachte er, den Befehlen Poppäas gemäß, nach Rom und überreichte es seiner erlauchten Auftraggeberin.
    Diesmal hatte Poppäa ihr Lügengewebe so gut gesponnen, daß es ehrliche Leute gab, die ihr halbwegs zu glauben schienen. Die Aktenstücke mitsamt dem gefälschten Briefe Octavias gelangten im Senat zur Verlesung. Die einzigen Stimmen, die sich erfolgreich für die Ehre der ruchlos Dahingeschlachteten hätten erheben können, waren verstummt. Flavius Scevinus weilte in Mediolanum; Thrasea Pätus und Barea Soranus, des Hochverrats und des Verbrechens wider die kaiserliche

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