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Nero

Nero

Titel: Nero Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ernst Eckstein
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Majestät beschuldigt, saßen hinter den festen Mauern des Staatsgefängnisses. Wer sonst noch einen Funken von Ehrgefühl sich bewahrt hatte, wie Piso, der vornehm lächelnde Epikuräer, blieb neuerdings den Verhandlungen grundsätzlich fern, um nicht entweder feig und niederträchtig erscheinen, oder den eigenen Kopf zwecklos aufs Spiel setzen zu müssen. So geschah's denn, daß die kapitolinische Körperschaft den an Octavia begangenen Mord als eine politische Großthat feierte und den Beschluß faßte, in sämtlichen Heiligtümern der Hauptstadt Dankesopfer zu bringen, zum Preise für die Errettung des Kaisers und des römischen Reichs vor den Ränken Octavias.
    »Elendes Hundegesindel, diese Herren im Purpur!« lachte Poppäa, da sie von diesem Beschluß Kunde bekam. »Die Spül-Sklaven des Küchenmeisters sind Heroen gegen die Speichellecker vom Kapitol! Sie sollen künftig danach behandelt werden!«
    Vier Wochen später feierten Claudius Nero und Poppäa Sabina ihre Vermählung.
    Die leichtlebige, jedem neuen Eindruck zugängliche Bevölkerung hatte sich inzwischen beruhigt.
    Die Gegner Poppäas, die hier und da im Palatium selber gegen die eheliche Verbindung mit Nero heimlich gewirkt hatten, schienen verstummt.
    Durch persönliche Liebenswürdigkeit und reichliche Geldspenden wußte die neue Kaiserin bald das nämliche Volk zu erobern, das einst ihre Bildnisse umgestürzt und in den Staub geworfen.
    Ihr Ansehen erreichte den Gipfelpunkt, als sie im Februar des folgenden Jahres ihrem Gatten eine Tochter gebar.
    Der Festjubel, der die Zweimillionenstadt mehrere Tage lang vom Janiculus bis zur Labicanischen Straße durchbrauste, war ebenso unbeschreiblich als der Wonnetaumel des Imperators.
    Wie leidenschaftlich aber der Kaiser die schöne Poppäa liebte, das zeigte sich deutlicher fast in dem Schmerz, der dem stürmischen Freudenrausch unmittelbar folgte.
    Noch hatte die junge Mutter sich nicht vom Lager erhoben, als das Kind, dem ganz Italien wie einer welterlösenden Göttin zugejauchzt hatte, plötzlich starb, – vermutlich infolge der großen Gemütsbewegungen, die Poppäa während der letzten Monate vor der Geburt durchgemacht hatte.
    Man suchte ihr das Mißgeschick zu verheimlichen. Aber da sie nun immer energischer nach der Tochter verlangte, die ihr vor wenigen Stunden noch in den Armen gelegen, und Nero zaghaft zu ihr herantrat und flüsterte: »Fasse dich, süße Poppäa: unsre Blume ist tot!«: da sank sie mit einem verzweifelten Aufschrei in die Kissen zurück und verlor die Besinnung.
    Drei Tage lang delirierte sie. Einmal war sie nahe daran, sich die Stirn zu zerschmettern. Zur rechten Zeit noch fing der Kaiser sie auf.
    »Octavia,« schrie sie, »die kinderlose Octavia! Seht, dort steigt sie empor aus dem Totenreiche! Sie rächt sich! Sie trinkt mit ihren blassen Lippen mein Herzblut!«
    Nero hegte und pflegte sie unermüdlich. Alles versäumend saß er an ihrer Lagerstatt, – tagelang, wochenlang.
    Ende März trat sie zum erstenmal, auf den Arm ihres Gatten gestützt, über die Schwelle des Krankenraums. Rings im Säulenhof glänzte die Frühlingssonne; warm und wohlig spielte die Luft um das Haupt der Genesenen. Ueber ihr schönes Antlitz bebte ein Lächeln, so fein, so schimmernd wie die Wasser des Springquells. Dieses Lächeln besagte: ›Ich litt, – aber als Kaiserin!‹
    Poppäa Sabina stand nun am Ziele. Der Verlust ihres Kindes erschien ihr nachgerade wie ein Tribut gegen die Götter, den sie willig bezahlen mußte, wenn sie vor dem Neid der Unsterblichen sicher sein wollte.
    Sie strengte jetzt alles an, um sich auf der einmal errungenen Höhe fest zu behaupten. Das Beispiel Octavias hatte sie gründlich belehrt, wie wenig die Stellung der Kaiserin zu besagen hat, wenn die Neigung des Imperators nicht dauernd beherrscht wird.
    Sie erwies sich als Meisterin in der Kunst, die Sehnsucht und Liebe ihres Ehegemahls nicht einschlummern zu lassen, ihn bald in die tollsten Zerstreuungen zu stürzen und dann wieder zärtlich an ihre Brust zu ziehen, damit er empfinde, daß hier allein, in der Umschlingung ihrer wonnigen Arme, seine wirkliche Heimat sei.
    Jeder Laune zeigte sie sich gefügig – ohne Bedenken, ohne Furcht, ohne Gewissensbisse.
    So gab sie ihm zwar, was er dankerfüllt das wahrhaftige Glück nannte, aber sie trug auch mehr als irgend wer sonst dazu bei, die ungezügelte Tollheit, die hohnerfüllte Mißachtung jeder Gerechtigkeit, kurz, den Cäsarenwahnsinn ihres Gemahls völlig

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