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Nero

Nero

Titel: Nero Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ernst Eckstein
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zur Blüte zu bringen und jenen furchtbaren Dämon zu zeitigen, der noch jetzt wie ein rätselhaftes Gespenst zu uns herüber funkelt aus den gähnenden Tiefen der Weltgeschichte.
     
     

Neuntes Kapitel
     
    Es war im Hochsommer. Die Reichen und Vornehmen hatten sich längst in die Bergschluchten oder ans Meer geflüchtet.
    Der Imperator weilte mit seinem Hofstaat zu Antium, wo Tigellinus auf Rechnung seines kaiserlichen Gebieters ein neues, wunderprächtiges Landhaus erstanden hatte.
    Rom war des Tages über wie ausgestorben. Erst eine Stunde nach Sonnenuntergang füllten sich die Tabernen mit halbnackten Zechern, und die Rasenplätze des Campus Martius, wo in der kühleren Jahreszeit der Schlauchball gespielt und der Diskus geschleudert wurde, belebten sich mit Erquickungsbedürftigen, die sich ins halbvertrocknete Gras kauerten, Brot und Früchte verzehrten oder begierig die öffentlichen Brunnen umlagerten.
    Bald danach waren die Treppen aller öffentlichen Gebäude, die Marmorplatten vor dem Saturnustempel, der weltberühmte Aufstieg zum Kapitol, der Säulengang des Agrippa – kurz, jeder denkbare Ruheplatz von tiefatmenden Schläfern besetzt, denen es in der drückenden Enge der Mietwohnungen unmöglich war, selbst nur minutenlang Rast zu finden. Auch viele Kranke lagen umher: denn die römische Fieberluft, dieses uralte Erbteil der Siebenhügelstadt, forderte wie alljährlich zahlreiche Opfer.
    Tausende von verlechzenden Menschenleibern, die zum Schlaf zu erregt waren, suchten Erfrischung in den spärlichen Wassern des Tiberstroms. Von der älischen Brücke bis stromabwärts zum Landungsplatze des Mons Aventinus drängte sich Kopf an Kopf, Männer, Weiber und Kinder, während die Schiffsleute, trotz der Erschlaffung, die auch ihnen schwer in den Gliedern lag, alles aufboten, ihre Ladung am Ufer zu bergen, um Ostia, die gesündere Hafenstadt Roms, wieder erreichen zu können, ehe es Tag würde.
    Hier, unmittelbar am Gestade, parallel mit dem Circus Maximus, befanden sich mächtige Warenlager und Stapelräume, namentlich Oelmagazine und Kornspeicher.
    Die Sonne des vierundzwanzigsten Juli war in blutfarbigen Dünsten langsam hinabgeschmolzen. Eine unheilverkündende Schwüle, dumpfer als je zuvor, brütete hauchlos über der Weltstadt. Die Luft war dick, wie süditalische Grobwolle. Ueber den Höhen des Quirinals flimmerte ab und zu der fahle Glanz eines ohnmächtigen Wetterleuchtens.
    Da, in der zweiten Stunde vor Mitternacht, sah die verblüffte Bevölkerung, wie an dem leichtgezimmerten Dach eines der aventinischen Kornspeicher ein blendender Lichtschein emporzuckte.
    »Feuer!« ging es wie Angstgeheul durch die erschreckten Massen. Ein Brand, in dieser Gegend, bei so entsetzlicher Dürre, – da war keiner, der die furchtbare Größe dieser Gefahr nicht begriffen hätte.
    Ehe der Ruf noch über die nächste Umgebung hinausgedrungen, wirbelten schon die Flammen haushoch zum Himmel auf. Die Stadtkohorte, die neben dem Sicherheitsdienste auch dem Beruf einer Löschmannschaft oblag, kam später, als wünschenswert. Mit rasender Schnelligkeit hatte die Lohe um sich gegriffen. Von der Bevölkerung unterstützt, mühten sich die Soldaten, alles, was von Baracken und Häusern demnächst bedroht erschien, abzutragen, um so den Herd des Unglücks zu isolieren. Schon waren die Niederlagen der Oelhändler mit ergriffen. Die brennende Flüssigkeit rann, den Lavaströmen des Aetna vergleichbar, verderbensprühend südostwärts. Funken und glühende Späne wurden in unablässigen Garben rings über die ganze Region verbreitet . . . Jetzt zischte es hier, jetzt dort in heller Vernichtungswut zu den schweigsamen Sternen auf, die da schauen sollten, was sie noch nie geschaut, seitdem es auf Erden eine Geschichte der Menschheit gab: den Brand einer Zweimillionenstadt.
    Man arbeitete wie von Sinnen: aber die Kräfte hielten nicht lange vor. Nach Verlauf einiger Stunden drängte sich allen die fürchterliche Gewißheit auf, daß der Kampf mit dem tosenden Element auf Grund des bisherigen Operationsplanes vergeblich sein würde. Man hatte nicht Hände genug, den Schutt der niedergerissenen Häuser auch nur zum zwanzigsten Teile hinwegzuschaffen, und dieser Schutt bestand vorzugsweise aus Balken, Dachsparren, Brettern und leicht gezimmerten Möbeln. – Es half nichts: wenn man das übrige Rom retten wollte, so mußte man nicht nur diese Region, sondern auch die zwei nächstbelegenen rückhaltslos preisgeben und die Linie

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