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Nero

Nero

Titel: Nero Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ernst Eckstein
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der Isolierung durch solche Stadtviertel ziehen, die vermöge ihrer massiven Bauart dem Funkenregen erfolgreicher widerstehen konnten.
    Gegen Ende der dritten Vigilie sandte der Stadtpräfekt einen reitenden Boten nach Antium.
    »Gewaltiger Cäsar,« schrieb der Beamte verzweiflungsvoll, »ich verwünsche das Fatum, das mich diesen Tag hat erleben lassen. Rom brennt. Wir haben uns dem wütenden Flammengezüngel entgegengeworfen, wie der Löwe den Hunden: aber die Uebermacht wird uns zu Grunde richten. Komm, Cäsar! Hilf uns kämpfen! Gönne den Römern deine kraftverleihende Gegenwart! Dir allein kann es gelingen, dem Verhängnis noch in den Arm zu fallen.«
    Nero, von Poppäa Sabina und einem großen Gefolge begleitet, machte sich sofort auf den Weg.
    Das Unglück, das er in Rom vorfand, übertraf alles, was seine bängste Befürchtung sich ausgemalt. Bei seiner Ankunft brannte bereits ein Achtel der Stadt. Er war sichtlich erschüttert.
    Tiefer noch bewegte das unerhoffte Ereignis die staats- und weltkluge Poppäa Sabina. Sie wußte, daß sie im Widerstreit gegen die heimlich gärende Feindschaft der Aristokratie und der Mittelklasse keinen besseren Verbündeten hatte, als den Pöbel, der Brot und Spiele verlangte und ›Ave Cäsar!‹ schrie, sobald die Cirkuspferde gut ausgriffen. Nun waren die Wohnsitze just dieser Mindestbegüterten vorzugsweise ein Raub der Flammen geworden. Das schien der Kaiserin mehr als bedenklich. Der so dynastisch gesinnte Pöbel war unberechenbar. Er hatte die Eigenart, pathetisch zu jubeln, wenn er satt und vergnügt war, aber sofort zu murren oder Soldaten zu prügeln, wenn durch Zufall einmal die ägyptischen Kornschiffe ausblieben. Der allmächtige Kaiser, dem diese Leute ihr Wohl verdankten, war ihnen auch verantwortlich für ihr Wehe. Sie suchten in seiner mystisch erhabenen Person die letzte Ursache aller Erscheinungen. Wie leicht konnte nun die halb schon rasend gewordene Menge auf den Einfall geraten, die gleiche unvernünftige Haltung bei diesem furchtbaren Elementarunglück einzunehmen, das so ungezählte Tausende ihres Obdachs beraubte?
    Poppäa teilte ihre Gedanken dem Cäsar mit.
    »Ebendeshalb bin ich hierhergekommen,« versetzte Nero. »Sie sollen gewahren, daß ich wirklich ihr Gott und Erlöser bin.«
    Er wandte sich ernsten Blicks zu seiner Gefolgschaft.
    »Es ist keine Zeit zu verlieren. Nicht einmal die Gewänder dürfen wir wechseln. Wir teilen uns in zwei Gruppen. Ich, der Cäsar, führe die eine; du, Tigellinus, die andre. Jeder von euch wird ohne Widerspruch leisten, was ihm befohlen wird, sei er nun Konsular oder Pferdelenker. Wo einer sich auszeichnet durch Tapferkeit oder Besonnenheit, da lohn' ich's ihm fürstlich; ist er ein Sklave, so erhält er die Freiheit und ein Rittervermögen. Tigellinus, bleibe du hier in der Südstadt; ich mit den Meinen wende mich nach der Subura! Vorwärts! Heute noch soll die ewige Roma gerettet sein: denn der Kaiser befiehlt's.«
    Die beiden Abteilungen trennten sich, um die Löscharbeiten zu organisieren.
    »Der Imperator im Funkenregen!« klang es durch die erstaunte Bevölkerung. »Poppäa vor den zerberstenden Trümmern! Heil! Heil! Nun muß die Tollwut der Flammen zurückweichen! Nun hat Roma gesiegt!«
    Und die ewige Stadt
hätte
gesiegt, wäre nicht jener Auswurf gewesen, der überall aus dem Unglück der Allgemeinheit ruchlosen Vorteil zieht.
    In der schauerlichen Verwirrung, die noch dadurch erhöht wurde, daß die meisten Regionen des Nord- und Ostviertels ohne jede polizeiliche Aufsicht blieben, quoll urplötzlich ein vielhundertköpfiges Raubgesindel ans Tageslicht.
    Unter dem Vorgeben, die Habseligkeiten bedrohter Häuser in Sicherheit bringen zu wollen, plünderten diese Hyänen mit unerhörter Schamlosigkeit, übten Gewalttaten jeder Art aus und fanden zuletzt die ganze grausenhafte Komödie so lohnend, daß sie, trunken von dem glänzenden Resultat ihrer Raubzüge, das verderbende Feuer auch in solche Stadtteile trugen, die bis dahin verschont geblieben.
    Als Claudius Nero am Abend desselbigen Tages in dem hochgelegenen Haus des Mäcenas todmüde aufs Lager sank, brannte die Stadt bereits an vier verschiedenen Punkten.
    Das Palatium selber war in Schutt und Asche gestürzt, nachdem die Soldaten der Leibwache eine Reihe der wertvollsten Kunstschätze glücklich gerettet hatten.
    Zu der schmachvollen Niedertracht dieser Raub- und Mordbrenner gesellte sich nun, als letzter entscheidender Faktor, die Ungunst der

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