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Nero

Nero

Titel: Nero Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ernst Eckstein
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Heilige Schauer der Inspiration durchrieselten sein bewegtes Gemüt. Er vergaß die bange Beklommenheit, die ihm bis dahin so bleiern das Herz bedrückt. Er vergaß das niedergebrannte Palatium und die trostlose Wüste, die ihn demnächst von allen Hügeln her angrinsen würde. Er vergaß selbst die Nähe seiner Poppäa Sabina, die sich zärtlich an seine Schulter schmiegte.
    Sich umkehrend winkte er einem der Leibsklaven und forderte seine Kithara, die ihn auf allen Reisezügen begleitete.
    Angesichts des brennenden Rom hing er das scharlachfarbene Band über die Schulter, stimmte, und schlug dann mit kraftvoll gehobenem Plectrum in die Metallsaiten, während sein jugend-blühender Mund ein heroisches Lied begann.
    Es waren Strophen im Versmaß der Dichterin Sappho; als vierte Zeile, von machtvoll schwellenden Tönen begleitet, kehrten die Worte wieder: »Lodernde Flammen!«
    »Du singst wie ein Gott!« jauchzte Poppäa, als er geendet hatte.
    Mit der Koketterie eines Kindes klatschte sie in die Hände.
    Er aber hörte nicht. Vor seinen Augen schwebte mit greifbarer Klarheit eine Mädchengestalt, die sich geheimnisvoll aus dem Brandgewühle emporrang, wie die Göttin der Liebe, da sie den Fluten des Meeres entstieg, – Acte, die Süße, die Blonde, die Unvergeßliche.
    Ihre tiefblauen Augen, fest auf sein Antlitz gerichtet, schienen zu fragen: ›Hat sie mich völlig verdrängt? Oder fühlst du noch etwas im Grund deines Herzens, was auf mich hinweist, ein dunkles Sehnen, das keine zweite dir je zu stillen vermochte?‹
    »Acte!« stöhnte der Kaiser aus tiefster Brust. Die Kithara entsank seinen Händen und glitt langsam über die Falten der Toga zu Boden.
    Wo war sie, die goldene, die selige Zeit, da er einst ihr diese Strophen gesungen hatte, zur Abendzeit, wenn die Höhen des fernen Albanergebirges im letzten Sonnenrote entbrannten? Dahin, – für ewig ins Nichts gesunken, wie hier die allgebietende Stadt, die jetzt so qualvoll ihre keuchende Seele aushauchte.
    »Ja, brich zusammen!« rief er, beide Hände erhebend. »Stirb, du fürstlich prangende Roma! Versprühe, verhauche! Dich kann ich neu aus deiner Asche erstehen lassen, prunkvoller als zuvor: aber die eine, die Unersetzliche gibt mir kein Gott zurück. Ist Acte gestorben: was hattest du für ein Recht an dieses flüchtige Dasein? Lodernde Flammen! Ja lodert! Und glühtet ihr tausendmal herrlicher, ihr schienet mir dennoch zu gering als ihr Totenopfer. Sie hätte ein größeres verdient. Die uranfängliche Nacht hätte hereinbrechen müssen mit dem Augenblick, da ihr dreifach gebenedeites Leben entfloh!«
    Seine Stimme schwoll wie in feierlichem Gebet. Ein Teil seiner ekstatischen Worte drang hinab in die Scharen des Volks, das auch den rätselhaften Gesang und die Klänge der Leier vernommen.
    »Hört ihr, wie er sich rühmt?« schrie ein ligurischer Schiffsknecht. »Die Stadt mag brennen: ihn freut's, – und die neun Regionen, die jetzt in Flammen stehen, sind ihm noch nicht genug!«
    »Er singt und jauchzt,« brüllte ein Händler vom Argiletum, »während rings die Verzweiflung wütet!«
    »Der Fürst soll uns Rede stehen! Platz da, ihr Prätorianer! Das römische Volk will zum Kaiser. Das römische Volk heischt Auskunft, was die Komödie da droben bedeuten soll. Heraus mit den Brandstiftern! Der Imperator muß wissen, wer die heilige Roma in Asche gelegt.«
    Ruhig und gelassen stemmten die Prätorianer dem Volkshaufen ihre Lanzen entgegen.
    Noch wich man zurück. Die ganze Bewegung indes, einmal in Fluß gebracht, ward immer bedenklicher. Der Militärtribun, der die Krieger befehligte, sandte einen Soldaten hinauf nach dem Turmdach, um den Kaiser von der Schwierigkeit der Situation zu benachrichtigen.
    »Die Narren!« lachte der Imperator.
    »Nimm sie nicht allzu leicht, diese Narren!« raunte Poppäa. »Sie sind toll geworden, wie Hunde, wenn sich die Sonne dem Zeichen des Löwen nähert.«
    Ein furchtbares Wutgeheul nahm dem Cäsar die Erwiderung vom Munde. Fünf oder sechs der Verwegensten waren als erste Opfer der Prätorianer gefallen. Die übrigen drängten mit verdoppeltem Ungestüm nach. Im nächsten Augenblick konnte ein förmlicher Kampf entbrennen.
    »Hörst du?« mahnte Poppäa. »Das Volk verlangt um jeden Preis einen Schuldigen. Willst du es selber sein? Was da herauf klingt, scheint mir deutlich genug.«
    »Das Werk meiner Todfeinde,« sagte der Cäsar bitter. »Ich kenne sie nicht, denn sie schleichen unter der Maske der

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