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Nero

Nero

Titel: Nero Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ernst Eckstein
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an der Gestaltung des neuen Ideenkreises: die Mehrheit leistet naturgemäß Widerstand. Aber fragst du etwa ein wimmerndes Kind, ob ihm der Heiltrank wie Honig schmeckt? So mißachte denn auch die Selbstsucht der Senatoren, die nichts wissen wollen von ihrer menschlich-engen Gemeinschaft mit den Sklaven und Kleinbürgern! Gieß' ihnen die brennende Arzenei mit Gewalt zwischen die Zähne, und sollten sie brüllen wie Philoktet!«
    »Ja, ja, das wäre an und für sich ein Triumph,« sagte der Kaiser gedankenvoll. »Ich hasse die Senatoren . . .«
    »Mit einigen Ausnahmen. Flavius Scevinus zum Beispiel –«
    »Und Thrasea Pätus – ergänzte der Imperator. »Das sind echte Männer und Denker, die ich fast so verehre, wie dich, mein teurer Annäus.«
    »Verehre mich nicht, sondern liebe mich!« sagte der Greis.
    Nero drückte ihm schweigend die Hand.
    »Diese wenigen,« fuhr Seneca fort, »werden im Kampf uns zur Seite stehn, – und ihr Einfluß wiegt schwerer, als die gesamte Unfähigkeit ihrer Standesgenossen. Die Philosophie auf dem Throne – das ist der größte Gedanke, der je gedacht worden ist. Ich glaube ja nicht die frommen, traumhaft-rührenden Fabeln, die Nicodemus den phantasiereichen Männern des Orients nacherzählt: aber ihr Kern ist echt, – und wie die Dinge jetzt liegen, sind sie der einzig mögliche Weg, um dem Volk das Erhabenste aus den Lehren der Stoa und aus dem, was wir selber gefunden haben, zugänglich und begreiflich zu machen.«
    Nero machte abermals Halt.
    »Daran zweifle ich eben,« sprach er bedächtig.
    »Wie? Nachdem uns gestern noch Nicodemus Bericht erstattet über die Christen in Palästina – über die Schmerzverachtung, die Ruhe, den Todesmut, den sie im Kampfe mit ihren judäischen Gegnern bekunden?«
    »Ja, teurer Annäus! Ich blieb nicht unberührt von dem gewaltigen Eindruck dieses Berichtes, aber gleichzeitig empfand ich eine dumpfe Beklemmung. Wie soll ich mich ausdrücken? Mir bangt bis in den Grund meiner Seele hinein vor einer Weltanschauung, die das Diesseits völlig entwertet, die das Schöne und Liebliche als verwerflich betrachtet, nur weil sie fürchtet, seine Lockungen möchten die Seele vom Ewigen, von der Sorge ums Jenseits ablenken. Was soll uns – dir und mir – dieses farblose Nazarenertum, da wir den Himmel der Nazarener nicht glauben?«
    Seneca nagte die Lippe. Dann plötzlich eine majestätische Haltung annehmend, sagte er langsam: »Ich glaube ihn, Herr! Nicht so freilich wie die zitternden Weiblein, die sich in den Tiefen der Katakomben vor dem Haß unsrer Priester und dem Hohne des übermütigen Pöbels verbergen: aber ich glaube ihn. Unser Empfinden ist ewig; wir sind ein Teil der unsterblichen Gottheit, hier zur Einzelerscheinung verdammt, nach dem Tode jedoch als Individuen erlöschend und zurückströmend in den uranfänglichen Quell des Lichtes.«
    »Nach dem Tode! Aber noch leben wir! Muß dies flüchtige Dasein vertrauert werden, um das Zurückströmen ins Unendliche zu ermöglichen? War es nötig, daß ich alles verlor, um jenseits des Holzstoßes, der meine Gebeine verbrennen wird, nichts wiederzufinden als die Fortdauer der ichlosen Allgemeinheit?«
    »Was? Was hast du verloren? Rede, mein Sohn! Ach, ich merk' es seit lange, daß dich ein Kummer verzehrt, der über die Grenzen unsres Kampfgebietes hinausreicht . . .«
    Nero versuchte zu lächeln. »Du irrst dich,« sagte er mit genügender Glaubwürdigkeit. »Nichts Neues ist mir begegnet. Was wir geleistet haben, erfüllt mich sogar mit Befriedigung. Vor allem unser Edikt über die ausländischen Religionen, –
dein
Werk, teurer Annäus . . .«
    »Das deine,« wehrte der Staatsminister. »Ich regte nur an, du aber hast ausgeführt. Und
wie
hast du' s ausgeführt! Deiner Mutter zum Trotz, die, aufgestachelt von ihrem Schleppträger Pallas, die Sache für plebejische Narrheit erklärte; dem Pontifex Maximus und dem Jupiterpriester zum Trotz, die voll Inbrunst über die wachsende Frechheit der orientalischen und ägyptischen Irrlehren deklamierten; deiner Gemahlin zum Trotz, die stündlich das Hereinwettern der jovischen Donnerkeile befürchtete; aller Thorheit zum Trotz, die sich von rechts und links, von oben und unten dawider stemmte. Kein Bewohner der Siebenhügelstadt, und sei er ein Sklave, soll fürderhin um seines Bekenntnisses willen verfolgt werden! Kein römisches Vorurteil soll ihn zwingen, den Göttern des Staates zu opfern! War das nicht ein glorreicher Sieg der

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