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Nero

Nero

Titel: Nero Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ernst Eckstein
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der Siebenhügelstadt so geläufig, und die fieberische Ungeduld wegen des Endurteils ging allenthalben so tief, daß die augenblitzende Acerronia sofort begriff, wie unerhört sie sich bloßgestellt hatte. Entweder hielt man sie für ›wenig urban‹, – eine beliebte Phrase des Tigellinus – oder man zog fatale Schlüsse auf die Ursache ihrer Verlegenheit . . .«
    Niemand jedoch konnte nur ahnen, was in Wahrheit sie so plötzlich erschreckt hatte . . .
    Es war ein sonderbarer, geradezu rätselhafter Ausdruck im Gesichte des Anicetus gewesen, begleitet von einer Sinnestäuschung, die im Herzen der sonst so mutigen Pantherkatze schauerliche Empfindungen weckte.
    Der Flottenbefehlshaber lehnte am Standbild einer Pomona. Da Acerronia eben ›Anicetus!‹ gerufen, ward ihr zu Sinne, als seien die Augen des Seeoffiziers geschlossen, wie die eines Toten . . . Wasser floß ihm in grünlich schimmernden Strömen aus dem üppigen Haupthaar. Die breite Nase und der halbgeöffnete Mund schienen soeben im letzten Krampfe erstarrt zu sein. Die Pomona aber, die majestätisch hinter ihm aufragte, trug die Züge der Agrippina.
    Acerronia trat eilends zurück. Eine halbe Minute später war der unheimlich-seltsame Spuk verschwunden. Wild erregend jedoch klang es im Busen des Mädchens nach, so daß sie beschloß, die Aegypterin Epicharis, die für gründlich bewandert in den Künsten der Wahrsagerei galt, schleunigst um ihren Rat zu fragen.
    »Ich sehe nichts Schlimmes darin,« lächelte Epicharis. »Du wirst mit Agrippina, deiner kaiserlichen Gebieterin, im Lauf der Jahre eine besonders glänzende Meerfahrt unternehmen, bei welcher der Flottenbefehlshaber Anicetus die Rolle des Dreizackschwingers Poseidon spielt, euch schützt und schirmt und fröhlich zum Hafen geleitet. Die Flut wogt vielleicht, – aber du hast es ja selber gesehen: ihr Toben war unfähig, die stolze Pomona, die Kaiserin-Mutter, die uns alle mit ihren Früchten erquickt, in die Tiefe zu reißen.«
    »Ich danke dir!« sagte die Hofdame Agrippinas mit einer artigen Handbewegung. »Dennoch verbleibt mir ein Rest von heimlichem Unbehagen. Dieser schreckliche Anicetus . . .«
    »Ist ein höchst intelligenter Mann,« fiel Epicharis ihr in die Rede. »Wer weiß, Acerronia, wie das alles gekommen ist. Die Liebe ist eine seltsame Visionärin.«
    »Die Liebe?«
    »Ja doch! Daß er dich liebt, heiß, lodernd, – in dieser Minute noch wurde davon gesprochen; – und heutzutage pflegen die Männer erst dann zu lieben, wenn sie der Gegenliebe ziemlich versichert sind.«
    »Nun steht mir bei, ihr sämtlichen Götter von Latium! Ich, ich . . . Nein, das ist unerhört! Da wär' ich ja eingekeilt zwischen zwei richtigen Ungeheuern! Hier Tigellinus, dort Anicetus! Der erste ein rasch getrösteter Witwer, der zweite ein Ehemann! Der erste frech wie ein Bettelbube am Cirkus, der zweite verschmitzt, heimtückisch, im Gesicht eine Breitnase wie ein Aethiopier! Ist
das
eure vornehme Welt, euer unvergleichliches Rom? Ei, so nähm' ich mir lieber einen Soldaten der Leibwache! Den zum Beispiel, der jetzt eben der unleidlichen Hasdra ein Bisellium herzuträgt . . .«
    »Wirklich, den . . .?« fragte die Aegypterin lächelnd.
    »Weshalb nicht? Er ist höchstens halb so verlogen wie ein vornehmer Durchschnittsrömer, und den tausendsten Teil nicht so fade.«
    »Kennst du ihn?«
    »Zufällig, ja. Er heißt Pharax und steht in augenscheinlicher Gunst bei der Kaiserin.«
    »Bei Octavia?«
    »Thorheit! Wenn ich von der Kaiserin spreche, meine ich immer nur Agrippina.«
    Um die Lippen der vornehmen Epicharis spielte ein fein-ironisches Lächeln.
    Jetzt erscholl ein helles Zinkengeschmetter, dem sich eine lustige sizilianische Tanzweise anschloß.
    »Suchen wir unsre Plätze,« sprach die Aegypterin.
    Sie näherte sich, von dem Staatsminister, der jetzt eben zu ihr herantrat, begleitet, dem sandbestreuten Oval der Arena.
    Das Mahl im Peristyl hatte nicht allzulange gewährt. Das sogenannte Convivium, die Commissatio, das fröhliche Zechgelage, gewürzt durch die üblichen Unterhaltungen, sollte hier draußen in zwangloser, aber desto gewählterer Form stattfinden.
    Für die kaiserliche Familie hatte Flavius Scevinus dicht am Stamme seines berühmten dritthalbhundertjährigen Ahornbaums eine eigene Tribüne errichten lassen, von deren Brüstung amethystfarbene indische Teppiche mit goldenen Schnüren und Quasten herniederhingen.
    Rechts und links von dieser prächtigen Loge,

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