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Nero

Nero

Titel: Nero Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ernst Eckstein
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du gerecht sein,« stammelte Phaon. »Die Hispanier sind unschuldig. Die Verantwortung für das entsetzliche Unglück trifft nur den Obersteuermann der Bireme, der nicht rechtzeitig auswich.«
    »So bring mir den Obersteuermann! Keine Folter sei mir zu grausam für diesen Elenden, keine Qual, die sich ausdenken läßt. Ich selber will ihn erdrosseln, zerreißen, zerfleischen . . . so . . . so . . .!«
    Zähneknirschend hatte er beide Hände erhoben und die Finger gekrallt, als fühle er die wütende Mordlust eines gätulischen Löwen. Dann taumelte er. Von Schmerz und Jammer bewältigt, sank er in die Arme seines Getreuen, der ihn vorsichtig auf die Polster der Ottomane bettete. Eine wohlthätige Ohnmacht umfing ihm das kranke, schmerzdurchtobte Gemüt.
    Die Hände im Schoß gefaltet, stand Phaon daneben, unschlüssig, was zu beginnen sei, immer und immer wieder in das totenblasse Gesicht starrend. Vielleicht gönnte er dem Unglücklichen diese Minute des Selbstvergessens; vielleicht ahnte er, daß es dem Cäsar wie dem römischen Volke zum Heil gereichen würde, wenn der Gequälte nach diesen furchtbaren Stürmen niemals wieder zum Leben erwachte.
    Als Nero die Augen aufschlug, heischte er einen Becher des schwersten Weines, leerte ihn, ohne abzusetzen, und hieß dann Phaon hinaustreten.
    Mit erkünstelter Ruhe las er noch einmal das Pergament seiner Mutter.
    Hiernach verfiel er in eine brütende Lethargie.
    »Also tot, – tot!« murmelte er von Zeit zu Zeit, um dann wieder halbe Stunden lang schweigend auf den Boden zu starren. Er sah nichts; er hörte nichts.
    Es ward Abend. Noch immer lag ein dumpfbetäubender Druck auf seinem Gehirn, ein Schleier, der ihm verhüllte, wie unsagbar elend er war.
    Plötzlich zerriß der Schleier.
    Claudius Nero sprang, vor sich selber erschreckend, empor und sank in die Kniee. Der Schweiß perlte ihm von der Stirne. Er rang die Hände wie ein sündiger Beter, dem die Gottheit ihre Gnade verweigert.
    »Es ist vorbei!« ächzte er aus erstickender Brust. »Nie, nie im Leben werde ich wieder sagen: ›Acte, du meine Seele!‹ Nie, nie! Ihr Götter, ob ihr seid oder nicht seid, ich beschwöre euch: ist der Gedanke denn auszudenken? Vorbei! Zertrümmert! Vernichtet! Könnte ich einmal noch ihr liebes, himmlisches Auge schauen, das jetzt der ewige Schatten verschlungen hat, o, mein ganzes inhaltsloses, erbärmliches Leben wollte ich freudig dahinströmen lassen in einem einzigen dampfenden Blutstrom! Ach, daß ich verröchelnd noch einmal ihre Stimme vernähme, die süße, holde, herzbewegende Stimme! Welch eine Welt ist das, in der solch ein Verbrechen wider das Schöne und Gute möglich ist! Acte, mein Liebchen, tot! Und diese fühllosen Mauern stehen noch heute, wie gestern – vielleicht um Jahrtausende höhnisch zu überdauern! Dies wimmelnde Rom freut sich nach wie vor seines kindischen, vergnügungslüsternen Daseins! Die Senatoren steigen zum Kapitol, als hätte sich nichts geändert! Die vestalischen Jungfrauen bringen ihre Opfer dar, die Prätorianer ziehen auf Wache, die Zecher schmausen und trinken, die Wüstlinge laufen den Mädchen nach, die Strolche stehlen, die Nazarener singen und beten, – als wäre der heutige Tag so ruhig und friedlich, wie all die Tage zuvor! Fluch über das elende Schandgesindel, das nicht trauernd zu Hause bleibt, wenn dem Kaiser, der doch über alle gebietet, das Herz zerbricht! Eine rühmliche Treue! Aber nein! Ich verzeihe ihnen. Sie sind schuldlos. Was soll ich vom Pöbel erwarten, da doch die eigene Mutter Hand angelegt hat an das einzige Glück ihres Sohnes! Acte! Acte!«
    Er sprang empor. »Ich ernte nur, was ich gesät habe,« murmelte er voll unsäglicher Bitternis. »Ich war ein Thor, ein verächtlicher Sklave. Warum auch hab' ich das alles so weit sich entwickeln lassen? Die gütige Mutter! Sie will mich auf Händen tragen! Sie will die Regierung getreu mit mir teilen! Täusche dich nicht, du Zerstörerin meines Daseins! Um solche Wunden vernarben zu lassen, wird die Hälfte der Herrschaft nicht ausreichen! Die Erde soll nun begreifen, wem der Thron des Augustus gehört: Dir oder mir!«
    »Phaon!« rief er mit Donnerstimme.
    Es klang als habe er sein unermeßliches Leid mit Riesenkraft überwältigt und erhebe nun ein Triumphgeschrei.
    Der Freigelassene trat ängstlich über die Schwelle.
    »Geh und hol mir den Staatsminister!« sagte der Kaiser, halb zur Seite gewandt.
    »Wie du befiehlst.«
    »Noch eins, Phaon! Weiß man

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