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Nero

Nero

Titel: Nero Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ernst Eckstein
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andrer, der ihm zur Seite schritt. »Die Gunst Octavias neben der Flammenglut dieser Acte bedünkt mich wie massilischer Rauchwein neben dem süßesten Cyprier. Man hat die Gemahlin ihm aufgenötigt . . .«
    »Das alles wäre ja noch gegangen,« fuhr der Klient fort. »Aber die Kaiserin-Mutter soll greulich gehetzt haben, so daß Octavia schließlich zu dem Ueberfall ihre Zustimmung gab . . . Nun haben wir den Skandal! Ganz im Vertrauen: Agrippina scheint eifersüchtiger und empörter gewesen zu sein als Octavia selbst.«
    »Ja, ja! Sie fürchtete, Acte möchte zu großen Einfluß gewinnen, – am Ende gar auf die Staatsregierung . . .«
    »Ganz zweifellos. Und da packt sie denn zu, wie ein Bauernbube, der ein Vogelnest aushebt. Aber ich fürchte, ihr thörichter Eingriff bedeutet uns Schlimmes.«
    »Wieso?«
    »Nun, sahst du ihn nicht vorüberreiten? Den Cäsar mein' ich. Er glich einem zornentbrannten Achilleus, der da kömmt, den Patroklus zu rächen. Niemals lohte ihm so gespenstisches Feuer unter den Wimpern. Ich bebte zusammen bei diesem Anblick.«
    So schritten sie weiter, immer an Leuten vorbei, die mit ängstlich gedämpfter Stimme das gleiche Thema behandelten.
    Er selbst aber, mit dem sich ganz Rom in dieser frühen Morgenstunde beschäftigte, warf sich, zu Tode ermattet, aufs Lager, wo er sofort entschlief. Kein Traum beeinträchtigte seinen erquickenden Schlummer. Es war, als gönne ihm ein allgütiges Schicksal die volle Sammlung der Kräfte, die er zum baldigen Kampfe benötigen würde.
    Gegen Mittag erst wachte er auf. Er befahl einen kühlenden Trunk; alle Speise wies er kurz und mürrisch zurück.
    Er plante, er überlegte. Stundenlang verharrte er in seinem Arbeitsgemach. Auf den Zehen huschten die Sklaven und Freigelassenen an der verriegelten Thüre vorüber: niemand wagte um Einlaß zu bitten.
    Selbst da Seneca um die Stunde der Cöna vorsichtig anklopfte, scholl ihm ein halb gebietendes, halb verzweifeltes »Laßt mich allein!« entgegen.
    Längst schon war es wiederum dunkel geworden, als Nero von selbst an die Thüre trat und dem Sklaven Cassius die Weisung erteilte, Licht zu bringen, und Brot und samischen Wein. Die Hofbeamten und Gäste möchten zu Tisch liegen, wann und wie es dem Küchenmeister genehm sei. Der Staatsminister solle den Imperator vertreten.
    Hiernach entbot er den Freigelassenen Phaon.
    Als der Vertraute ins Zimmer trat, überreichte er ihm eine Anweisung auf die Schatzkammer.
    »Verschwende, vergeude!« raunte er, ihn beim Arme ergreifend. »Sende zehntausend Boten und Späher aus, zwanzigtausend, so viel du willst, – und jeden mit dem Gehalt eines Militärtribunen! Sie sollen suchen, als gält' es Leben und Tod. Wer sie findet, der darf zum Lohne fordern, was er begehrt, – meinetwegen den Thron! Aber findet sie . . .! Fort! Zu lange schon hab' ich gezögert. Nein, nein, ich will nichts hören . . . deine Gegenwart ist mir zuwider . . . du trägst ja ein menschliches Angesicht!«
    Phaon, aufs tiefste erschüttert, entfernte sich. Nero versank wieder in sein trostloses Brüten.
    »Es ist alles umsonst,« stöhnte er. »Das nämliche hab' ich schon einmal erlebt . . . Alles Nachforschen fruchtet nichts . . . – Ich fühl' es . . . Ich weiß es!«
    Am folgenden Tage die gleiche Zerrissenheit. Schon vor Sonnenaufgang verließ er sein Schlafgemach und begab sich, scheu wie ein Flüchtling, nach dem Museion, wo bereits Cassius, der Leibsklave, für ein Frühmahl gesorgt hatte.
    Nero, obgleich ihn hungern mußte, berührte zunächst keinen Bissen. Starr grübelnd saß er vor seinem Arbeitstisch, mit der Rohrfeder spielend, oder die gelbgetönten Papyrusstreifen, die in zierlicher Schichtung vor ihm gehäuft lagen, auf und ab schiebend.
    Dann sprang er empor, durchmaß das Zimmer wie ein Tiger den Käfig, ballte die Fäuste, oder legte sich die Finger festgekrallt an die Gurgel. Plötzlich stieß er einen raubtierähnlichen Schrei aus, warf sich stöhnend auf das erzgetriebene Ruhebett und schlug die Hände vors Angesicht.
    So lag er wohl eine Viertelstunde lang, bald regungslos, bald an allen Gliedern geschüttelt wie ein Epilepsiekranker.
    Endlich erhob er sich, trat zu dem schöngetäfelten Schreibtisch, wo er so manchmal der griechischen und lateinischen Muse geopfert, wo er die Verse gedichtet:
     
»Wie süß und lieblich ruht sich's am Quellgesträuch,
Wenn Actes Blondhaar flutend herniederwallt,
    Und ihres Lächelns Maienblüte
     

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