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Nero

Nero

Titel: Nero Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ernst Eckstein
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sich um einen Ansturm des gesamten freien Germaniens wider das Römerreich.
    Die Sigambrer waren jedoch die einzigen unter den vielen germanischen Volksstämmen, bei welchen der Einheitsgedanke schon damals Wurzel gefaßt hatte. Alle übrigen, bis hinauf zu den Guttonen und Rugiern, vergeudeten, trotz der großen Erinnerungen an die Tage des Varus, ihre blühendste Kraft in Fehden von Gau zu Gau, und verhielten sich gleichgültig gegen die neue, vielleicht in der That noch verfrühte Idee. Ja, selbst unter den Edelingen der Chatten gab es jüngst wieder ungestüme Familienzwiste.
    Den schlauen diplomatischen Schachzügen des kaiserlichen Vertreters war es unter solchen Verhältnissen unschwer gelungen, die Chatten durch einige Zugeständnisse, insbesondere durch Zahlung einer Entschädigungssumme, zur Abwiegelung zu bestimmen und ihnen die Freundschaft mit dem gewaltigen Römerreiche als ein so herrliches Ziel auszumalen, daß sie nach einigem Hin und Her den Beschluß faßten, zwölf ihrer ausgezeichneten Edelinge unter Führung des Oberfeldherrn Lollarius nach Rom zu schicken, dem Kaiser Geschenke zu übermitteln und ihm friedliche Nachbarschaft anzubieten.
    An diese mehr theatralische Aufgabe der chattischen Edelleute knüpften sich noch einige mehr geschäftliche Punkte, die der kaiserliche Proprätor nicht auf eigene Faust zu erledigen wagte.
    Agrippina hatte bereits vor mehreren Tagen die überflüssige, vom Standpunkt des römischen Volksbewußtseins geradezu anmaßende und verletzende Absicht geäußert, von ihrem albanischen Landsitz herüber zu kommen, an der Seite des jungen Kaisers die zwölf Botschafter zu empfangen und bei der ganzen Zeremonie buchstäblich den Vorsitz zu führen.
    Das also war der Punkt, wo der Staatsminister zum erstenmal den Hebel einsetzen wollte, um die Kaiserin-Mutter sanft, aber allem Volke ersichtlich, beiseite zu schieben.
    Seit jenem Tage, da Nero ihn zu sich gerufen und ihm eröffnet hatte, daß er gesonnen sei, durch den Glanz der Alleinherrschaft sich für das zu entschädigen, was Agrippina und ein schreckliches Schicksal ihm boshaft geraubt hatte, war Annäus Seneca überhaupt nicht müßig geblieben.
    Er hatte den plötzlichen Aufschwung des Imperators mit einer Begeisterung begrüßt, die bei Nero den Glauben erwecken mußte, als sei das ein Verdienst, was ihm zunächst doch nur ein Bedürfnis war.
    Am nämlichen Abend noch hatte sich Seneca zu Flavius Scevinus begeben und ihm gemeldet, daß, wenn die energische Stimmung des Kaisers standhalte, Nero selber als Mitverschworener gegen die Kaiserin-Mutter angesehen werden dürfe. Man möge daher vertagen, was man gegen Agrippina im Schild führte, da es unstreitig einen weit besseren Eindruck auf den Senat wie auf das römische Volk machen müsse, wenn Claudius Nero in eigener Person die Initiative ergreife.
    Nachdem er dies mit Flavius Scevinus erörtert hatte, ließ der Staatsminister demungeachtet die nötigen Vorbereitungen treffen, um gegen etwaige Gewaltmaßregeln der Agrippina geschützt zu sein.
    Burrus, der von der Verschwörung nichts ahnte, war leicht zu bestimmen, das Kommando über die halbe Kohorte, die in der Hofburg die Wache hielt, dem Agrigentiner Sophonius Tigellinus zu übertragen, zumal er seit einiger Zeit nicht mehr so blindlings die Kaiserin-Mutter vergötterte. Es war ihm zu Ohren gekommen, daß der Militärtribun Pharax bei Agrippina auffällig in Gunst stand, und die Gerüchte, die sich, unbestimmt freilich, aber dennoch in leicht zu deutender Richtung, an diese Bevorzugung knüpften, kränkten seinen Soldatenstolz. Nicht, daß er etwa die Neigung verspürt hätte, geradezu gegen die Fürstin zu rebellieren: aber sie sollte doch sehen, daß er nicht ganz das willfährige Spielwerk in ihrer Hand war, für das sie ihn ansah.
    Tigellinus, sobald ihn Burrus mit dem Oberbefehl über die Wachmannschaften betraut hatte. streute unter die Krieger ganze Schläuche voll Gold aus, während sich Nero, den Winken des Staatsministers entsprechend, bis auf weiteres zurückhielt.
    Jetzt, in der Morgenfrühe, da die Kaiserin-Mutter bereits in ihrer Carruca saß, um, von vier schnaubenden Kappadoziern gezogen, von ihrem Landhause nach der Hauptstadt zu eilen, erachtete Seneca den Augenblick für gekommen, um der Erbitterung Neros gegen Agrippina durch die früher verschobenen Enthüllungen frische Nahrung zu geben.
    Während die Kammersklaven den Imperator für die große Empfangsfeierlichkeit ankleideten, saß

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