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Nero

Nero

Titel: Nero Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ernst Eckstein
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der klug berechnende Staatsmann, die Arme über der Brust gekreuzt, im kaiserlichen Studiergemach und legte sich sein bedenkliches Thema sorgsam zurecht.
    Der Leibsklave Cassius hatte dem Herrscher bereits mitgeteilt, daß der Minister noch vor dem Erscheinen der Senatoren schwerwiegende Dinge mit ihm zu erörtern wünsche. Ungeduldig drängte Nero zur Eile.
    Mit außergewöhnlichem Ernste ging Seneca ihm entgegen, als er nun endlich in seiner purpurverbrämten Toga die Schwelle betrat.
    »Komm, du Teurer!« sagte der Staatsminister vertraulich. »Eine halbe Stunde noch haben wir Zeit. Hier, sitz nieder – und höre mir zu!«
    Nachdem er dem Kaiser in aller Kürze einige Grundlehren der augustinischen Staatsweisheit wiederholt, und insbesondere betont hatte, wie es zuzeiten gut sei, halbverjährte Verbrechen gleichsam als nicht geschehen zu betrachten, suchte er sich von dem Vorwurf zu reinigen, als habe er etwa die Thaten der Agrippina gebilligt.
    »Glaube mir,« sprach er bewegt, »hundertmal hat mich die Stimme des inneren Gottes stürmisch gemahnt, allem Volk zu verkündigen, daß es befugt sei, von Agrippina nichts Gutes zu denken. Eins nur hat mich immer wieder zurückgehalten: die bange Rücksicht auf dich, den untadeligen Sohn der Verbrecherin. Ich wußte es ja, wie treu du deine Mutter verehrtest, wie du allein von sämtlichen Römern die Binde über den Augen trugst und so die Dinge nicht ahntest, die uns übrigen oft genug das Blut der Scham und des Zorns in die Stirne getrieben.«
    Da Nero atemlos aufhorchte und ihm krampfhaft die rechte Faust um die Handwurzel legte, fuhr Seneca noch bedeutsamer fort: »Nein, teurer Cäsar, ich fiebere nicht, und was ich rede ist keineswegs die Ausgeburt eines kranken Gehirns. Frage den Tigellinus, frage, dafern du willst auch den Burrus, der ihr vielleicht nur deshalb jede Unthat vergibt, weil er, rauh, wie er scheint, dennoch weicher empfindet, als ein junger Poet . . .«
    »Wie verstehe ich das?«
    Seneca, jegliches Wort einförmig und bleiern betonend, gab ihm zur Antwort: »Nun – er liebt Agrippina und – er besitzt sie!«
    »Das sagst du mir?« schrie Nero mit greller, mark- und beinerschütternder Stimme. »Burrus besitzt sie? Die Mutter des Imperators ist die Geliebte eines Kasernenhäuptlings?«
    »Beruhige dich!« mahnte der Staatsminister mit großer Kaltblütigkeit. »Nicht zum erstenmal ereignet sich's in der Weltgeschichte, daß ein edler Stamm, nachdem er edle Früchte getragen, plötzlich in sich verfault . . . Uebrigens sagst du: ›Kasernenhäuptling‹. Weshalb so geringschätzig? Besser der Häuptling, als der plebejische Troßknecht. Neuerdings geht ja die Rede . . . Verzeih, aber ich bring' es nicht über die Lippen!«
    »Glaubst du mich schonen zu sollen?« lachte der Imperator.
    Nach kurzem Zögern hub Seneca wiederum an: »Es hilft nichts. Du mußt alles erfahren. Denn es handelt sich jetzt um die Frage: ›Du oder sie?‹ Drohend gärt es in allen Volksschichten. Heimlich murrt der Senat. Die Ritter, die kleinen Kaufleute, die Handwerker, ja selbst die Sklaven sind wutentbrannt, daß so die Willkür eines verwerflichen Weibes den Staat unter die Füße tritt. Zunächst: welch ein Abgrund von Lüsternheit! Burrus – ich wollte da noch ein Auge zudrücken. Aber wie ich jüngsthin erfahren –: sie hält es mit vielen . . .«
    »Das lügst du!« rief Nero, emporfahrend. »Sie mag sich vergessen, sie mag sich entweihen, aber niemals wird sie ihren gewaltigen Stolz verleugnen.«
    »Ich übertreibe vielleicht,« stammelte Seneca. »Aber mach's doch wie einst! Misch dich verkleidet unter den Pöbel der Vorstadt! Besuche die Schenken, die Garküchen, die Barbierstuben! Da wirst du's hören, wie man von einem gewissen Tribunen Pharax allerlei Dinge munkelt . . .«
    Nero stöhnte laut auf.
    »Und das alles ist wahr?« fragte er nach langer Pause.
    »So wahr, Imperator, daß du mich auf dem Anger der Ausgestoßenen lebendig begraben sollst, wenn ich lüge! Weshalb zitterst du, Claudius Nero? Was ich erzählt habe, sind doch immer nur menschliche Schwächen, unrühmlich, meinetwegen verächtlich, aber verzeihlich. Senke den Blick nicht zu Boden! Bei dem Geiste des Alls, welch ein Trauern soll dich befallen, wenn ich dir jetzt berichte, was sie
Schlimmeres
gethan hat?«
    »Sprich!« rief Nero verstört. »Ich bin jetzt auf alles gefaßt. Buhlt sie nicht auch mit den Maultiertreibern, die ihr Essenzen und Früchte bringen? Es gewährt mir

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