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Nero

Nero

Titel: Nero Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ernst Eckstein
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nicht, wer die Räuber gewesen sind, die meine Acte entführt haben?«
    »Nein, Herr! Alle Nachforschungen sind fruchtlos geblieben. ›Sklaven der Agrippina‹ – sagen die einen; ›Prätorianer‹ die andern . . .«
    »Schweig! Meine Frage war abgeschmackt. Wenn ich's auch wüßte, – sie waren ja doch nur Werkzeuge in der Hand Agrippinas. Also: den Staatsminister!«
    Seneca schritt dem Kaiser voll Würde, beinahe traurig entgegen.
    »Mein Freund,« sagte Nero mit eiserner Selbstbeherrschung, »fürchte nicht, daß ich jammern und klagen werde über das Ewig-Verlorene! Was ich mit dir bereden will, das schaut weit hinaus in die Zukunft.«
    Er legte ihm kurz und bündig seine Absichten dar.
    »So bist du wahrlich der Cäsar nach meinem Herzen,« sprach Seneca und schloß ihn feierlich in die Arme. »Was in meiner Gewalt steht und in der meiner Freunde . . .«
    »Ja, ich weiß, ihr werdet mir euern Geist leihen, und wenn es not thut, euer geheiligtes Schwert. Handle Seneca! Plane! Berechne! Mir fiebert noch das gemarterte Hirn . . .«
    »Keinen Rückfall in die kaum überwundene Schwäche! Beim Zeus, ich lasse dich nicht! Heute noch sprech' ich mit Tigellinus. Der erste Sturm wider die Selbstüberhebung der Agrippina soll dem römischen Volke beweisen, daß Nero seine welthistorische Pflicht nun erkannt hat.«
    »Du wolltest mir von Agrippina manches erzählen; von Claudius und dem armen Britannicus . . .«
    »Noch nicht, dafern du dem Rate des Freundes folgst. Du wirst größer und herrlicher dastehen, wenn du nur im Selbstgefühl des Regenten handelst, nicht auf Grund gewisser Gerüchte, die vielleicht doch nur . . . Gerüchte sind.«
    Nero neigte sein Haupt. »Ich vertraue dir,« sagte er seufzend. »Rette mich vor mir selbst! Gib mir den allgewaltigen Zauberstab, um die Geister des Einst zu verscheuchen, die mich so lieblich und doch so schreckenerregend umwirbeln . . .«
    »Dieser Stab ist das Scepter. Handhabe es wie ein Heros . . .!«
    »Wenn du willst, wie ein Dämon.«
     

Siebentes Kapitel
     
    Am sechsten Tage nach diesen Geschehnissen prangte das Atrium des Kaiserpalastes schon bei dämmernder Morgenfrühe im Festgewande.
    Das marmorne Podium neben dem Eingang in das Archivzimmer war mit kostbaren Teppichen überkleidet.
    Hier standen zwei löwenfüßige Thronsessel, von goldenem Baldachin überragt.
    Eine Fülle der herrlichsten Blumen, mit üppigem Grün durchmischt, wogte von einem Säulenkapitäle zum andern, schmückte den Boden und wucherte rechts und links aus den Kolonnaden hervor.
    Wo es nur irgend anging, schmiegten sich die farbenglühendsten Teppiche an die schimmernde Architektur; die Wand des Archivzimmers troff geradezu von diesen wundervollen Geweben; die Bilder unter den Kolonnaden waren davon überdeckt; selbst vom Dache hernieder hingen die schweren Quasten und Troddeln, die sich, je höher die Sonne über den Horizont lugte, um so heller und flammenroter bemalten.
    Heute früh in der zweiten Stunde des Tages sollte der feierliche Empfang einer Gesandtschaft des Chattenvolks stattfinden. Man hatte den großen Familienhof des Palatiums, nicht aber den Sitzungssaal des Senats gewählt, um so der Sache einen zwar minder staatsmännischen, aber vielleicht desto glänzenderen und wärmeren Ton zu verleihen.
    Wäre dies längst erwartete diplomatische Schaustück nicht in Aussicht gewesen, so hätte Seneca vielleicht schon in voriger Woche Urlaub genommen. Die Hitze nämlich der letzten Maitage brütete sommerähnlich über der Stadt; aus der engen Subura hatte man gestern bereits einige Fieberfälle gemeldet. So aber mußte das Uebel ertragen werden, denn es handelte sich um die erste große Gelegenheit, dem Ehrgeiz der Agrippina nicht nur vor den versammelten Vätern, sondern sogar in Gegenwart ausländischer Botschafter einen empfindlichen Stoß zu versetzen. Es mußte ihr endlich einmal zum Bewußtsein gebracht werden, daß für die römischen Regierungsgeschäfte eine neue Aera im Aufdämmern war.
    Der chattische Volksstamm, wohl der begabteste aller Germanen, unmittelbarer Nachbar der römischen Reichsgrenze, hatte, durch mehrfache Uebergriffe römischer Soldaten erbittert, während des letzten Jahres eine bedrohliche Haltung gezeigt und sich im Einverständnis mit den Sigambrern allerhand römerfeindlichen Plänen gewidmet. Wenn der Proprätor, der dort oben im Norden die Hoheitsrechte des Imperators vertrat, seinen Kundschaftern glauben durfte, so handelte es

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