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Nero

Nero

Titel: Nero Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ernst Eckstein
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eine qualvolle Lust, bis an die Kehle in diesem greulichen Schmutze zu wühlen.«
    »Ich wiederhole dir, das alles ist menschlich,« sagte der Staatsminister. »Ein Weib, von heißem Blute durchlodert, allzeit nur ans Befehlen gewöhnt, von keinem Manne gezügelt, alternd, und dennoch jugendlich schön wie die schwellende Traube: ein solches Weib wird immer die Beute ihres unersättlichen Lebensdranges. Aber« – hier schwoll seine Stimme wie ein näher und näher klingendes Donnergerolle – »Mörderin braucht sie um deswegen
doch
nicht zu werden!«
    Ein Lächeln, ausdruckslos wie das eines Blödsinnigen, glitt über die Züge des unglückseligen Kaisers.
    »Weißt du,« fuhr Seneca fort, »wie dein bedauernswürdiger Stiefvater Claudius geendet? Ich will gerecht sein: auch dem Opfer zähle ich seine Schwächen vor. Claudius war kein Gatte für Agrippina. Domitius Aënobarbus mit seiner stahlharten Faust konnte sie niederhalten; Claudius, der Witwer der Messalina, war schon verloren, eh' er den Kampf begann. Dennoch: – hat er sie nicht zärtlich geliebt? Hat er sich jemals eines Vergehens, geschweige denn eines Verbrechens schuldig gemacht? Er regierte – oder besser: er ließ regieren. – Daß er nicht
ihr
die Herrschergewalt anvertraute, daß er den eigenen Sohn, den armen Britannicus, den er bereits zu deinen Gunsten enterbt hatte, nicht überdies noch verbannte, oder gar tötete: siehe, das war in den Augen der zärtlichen Agrippina die Unthat, die er gefrevelt hat. Da sie nun allerlei Ränke schmiedete, um ans Ruder zu kommen, merkte Claudius, was sie im Schilde führte. Er beschloß, die Ehe mit ihr zu lösen und den Britannicus in die Rechte des Kronprinzen wiederum einzusetzen. Was begann Agrippina? Zweierlei stand ihr frei: durch Milde, Güte und Nachgiebigkeit ihren Gemahl zu versöhnen – oder ihn mit Gewalt zu beseitigen, eh' er noch seine Entschlüsse zur That machen konnte . . . Ihre Lieblingswaffe bestand dazumal in den Tropfen der Giftmischerin Locusta. Dieses fluchbeladene Schandweib stellte ihr eine geruch- und geschmacklose Flüssigkeit her, die den kostbaren Vorzug hatte, die Vergiftung langsam, aber mit desto größerer Sicherheit zu bewerkstelligen. Als es nun just im engsten Familienkreise das Lieblingsgericht des Claudius – Steinpilze – gab, ließ sie durch einen der Köche in das prächtigste Exemplar so viel einträufeln, als zur tödlichen Wirkung erforderlich war. Man brachte die Schüssel. Wie eine aufmerksame Familienmutter schob sie ihm den vergifteten Pilz zu. Der sehe so reizend aus, so frisch und verlockend! Sie selber aß von den übrigen. Als er nach kurzer Zeit schläfrig ward, glaubte man, er sei ein wenig bezecht. In der Nacht jedoch verlor er nach und nach das Gesicht, das Gehör und die Beweglichkeit seiner Gliedmaßen. Unter entsetzlichen Qualen verschied er.«
    Seneca schwieg. Der junge Kaiser blickte starr zu ihm auf.
    »Welch ein Ungeheuer!« lallte er endlich. »Aber wer – selbst unter euch Menschenkennern und Philosophen – bürgt mir dafür, daß diese Geschichten mehr sind, als thörichte Fabeln, von den Gegnern ersonnen, von der Leichtgläubigkeit des Pöbels in Umlauf gesetzt?«
    »Wenn du ihr volle Straflosigkeit zusicherst, wird die Giftmischerin Locusta diese Missethat freudig bestätigen, denn überall, wo das Gift eine Rolle spielt, war sie das Werkzeug in der Hand der erlauchten Verbrecherin.«
    »Seneca, mein Lehrer und Freund, ich glaube dir's, wenn mir die Seele auch vor Scham und Jammer verdorren möchte! Weh mir, was soll ich beginnen?«
    Wie zu Tode erschöpft sank er in den Sessel zurück.
    Der Staatsminister, ohne auf die Verzweiflung des jungen Kaisers zu achten, hub nun wiederum an: »Weißt du, wie Britannicus starb, dein Stiefbruder? Ich am wenigsten hab' es beklagt, daß man den Jüngling von der Thronfolge ausschloß. Britannicus, so vortrefflich er war, stand doch hinter dem Sohn Agrippinas zurück. Der Staat gewann daher durch jene Enterbung. Aber weshalb mußte nun Agrippina dies blühende Leben unter die Füße stampfen? Britannicus war selbstlos genug. Er wäre dein Freund, dein erster Berater geworden. Er hätte mit seiner Kühle und Klarheit deine lodernde Phantasie gleichsam ergänzt. Die Nachwelt hätte von euch geredet wie von Damon und Phintias, wie von Pylades und Orestes –«
    »Rede mir nicht von Orestes,« flüsterte Nero schaudernd.
    »Warum nicht?«
    »Mich überläuft's! Orestes – hat seine Mutter

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