Nesbø, Jo - Harry Hole - 02
jemanden anzurufen, der sich nach einer W
eile vielleicht fragen
könnte, wo er abgeblieben wa r. Die Bedienung bei Schrøder konnte er ja wohl kaum anrufen.
»Nimm dir die Vitam in-B-Spritzen mit, die ich dir gegeben habe«, sagte Aune.
»Warum das denn?«
»Die machen das Leben etwas leichter, solltest du Lust haben, nüchtern zu sein. Neue Um gebung, Harry, das könnte eine gute Gelegenheit sein, weißt du.«
»Ich werde darüber nachdenken.«
»Denken alleine reicht nicht, Harry.«
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»Ich weiß. Deshalb brauche ich die Spritzen auch nicht mitzunehmen.«
Aune brummte. Das war seine Art zu lachen.
»Du solltest Komiker sein, Harry.«
»Ich bin auf dem besten Wege.«
Einer der Jungs aus dem Hospiz etwas weiter die Straße hinauf stand schlotternd in einer dünne n Jeansjacke an eine Hauswand gelehnt und rauchte, als Harry den Koffer in den Kofferraum des Taxis hob.
»Auf große Fahrt?«, fragte er.
»Kann man sagen.«
»In den Süden?«
»Bangkok.«
»Alleine?«
»Genau.«
»Say no more …«
Er streckte den Daumen hoch und zwinkerte Harry zu.
Harry nahm das Ticket von der Bediensteten am Schalter
entgegen und drehte sich um.
»Harry Hole?« Der Mann trug ei ne Brille mit Stahlgestell und sah ihn mit einem traurigen Lächeln an.
»Und wer sind Sie?«
»Dagfinn Torhus vom Auswärtig en Amt. Wir wollen Ihnen nur alles Gute wünschen. Und uns vergewissern, dass Sie sich auch der … delikaten N atur dieses Auftrags bewusst sind. Das alles ist schließlich sehr, sehr schnell gegangen.«
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»Danke für Ihr Mitgefühl. Ich habe verstanden, dass es m ein Job ist, den Mörder zu finden, ohne zu viele Wellen zu machen, ja. Møller hat mich instruiert.«
»Gut. Diskretion ist von gr oßer Bedeutung. Vertrauen Sie niemandem. Nicht einmal denen, die behaupten, sie kämen vom Auswärtigen Amt. Es kann gut se in, dass die vom, ja sagen wir Dagbladet kommen.«
Torhus öffnete den Mund, als wollte er lachen, und Harry verstand, dass er es ernst meinte.
»Die Journalisten vom Dagbladet tragen keine Anstecknadel vom Auswärtigen Amt, Herr Torhus. Oder Trenchcoats i m
Winter. Ansonsten habe ich de n Papieren entnommen, dass Sie mein Kontaktmann in der Regierung sind.«
Torhus nickte wie zu sich selbst. Dann schob er das Kinn vor und senkte seine Stimme ein wenig.
»Ihr Flugzeug geht gleich, ich will Sie nicht länger aufhalten.
Aber hören Sie auf das wenige, was ich Ihnen zu sagen habe.«
Er nahm die Hände aus den Mant eltaschen und faltete sie vor sich.
»Wie alt sind Sie, Hole? Drei unddreißig? Vierunddreißig? Sie haben möglicherweise noch imm er eine Karriere vor sich. Ich habe mich nämlich über Sie er kundigt. Sie haben Talent und ganz offensichtlich gibt es an höherer Stelle Leute, die Sie mögen. Und die Sie beschützen. So kann es auch weitergehen, wenn alles klappt. Aber es braucht keine großen Fehltritte, damit Sie zu Boden gehen, und bei einem solchen Abgang könnten Sie schnell auch Ihren Protegé m it zu Fall bringen. Und dann werden Sie erkennen, dass Ihre sogenannten Freunde über alle Berge sind. Also versuchen Sie, auf den Beinen zu bleiben, auch wenn Sie dann nur langsam vorwärtskomm en. Das ist für alle Beteiligten das Beste. Das ist ein gut gemeinter Rat von einem alten Eisschnellläufer.«
Er lächelte, während seine Augen Harry kühl musterten.
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»Wissen Sie was, Hole, ich bekomme hier draußen in Fornebu immer so ein deprimierendes Gefühl von Stilllegung. Stilllegung und Aufbruch.«
»Was Sie nicht sagen«, erwiderte Harry und fragte sich, ob er noch Zeit für ein Bier hatte, eh
e das Gate schloss. »N un,
manchmal kann das ja auch was Gutes sein. Erneuerung, m eine ich.«
»Hoffen wir’s«, sagte Torhus. »Hoffen wir’s.«
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KAPITEL 5
Harry Hole schob sich die Sonnenbrille auf der Nase zurecht und ließ seinen Blick über di e Taxis vor dem Don Muang International Airport schweifen. Er hatte das Gefühl, in ein Badezimmer gekommen zu sein, in dem jemand gerade erst eine kochend heiße Dusche abgedreht hatte. Er kannte das Geheim -
nis, wie m an mit hoher Luftfe uchtigkeit umging. Sie m usste einem einfach scheißegal sei n. Einfach den Schweiß rinnen lassen und an etwas anderes denken. Schlimm er war es mit dem Licht. Es b rannte sich durch das billige getönte Plastik der Sonnenbrille, stach in seinen alkoholgeschädigten Augen und brachte die Kopfschm erzen in Gang, die bis dahin nur hinter seinen Schläfen gelauert hatten.
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